Bunte Luftballons und Beethovens Neunte

König Albert II. und Bundespräsident Johannes Rau verabschieden in Spich die belgischen Streitkräfte - Ehemalige Besatzer gehen nach 56 Jahren als Freunde

Troisdorf. Zum Abschied erklang die Europa-Hymne, Beethovens "Ode an die Freude". Dazu breiteten Kinder in Jeans und weißen T-Shirts sowie Soldaten in olivgrünen Kampfanzügen gemeinsam eine überdimensionale, tiefblaue Europa-Flagge vor Belgiens König Albert II. und Bundespräsident Johannes Rau aus. Zuvor hatten hunderte Mädchen und Jungen bunte Luftballons in den Himmel über der belgischen Kaserne in Spich steigen lassen.

Das war das ungewöhnliche Ende des militärischen Zeremoniells, mit dem am Freitag die Belgischen Streitkräfte in Deutschland (BSD) offiziell verabschiedet wurden. Bis zum Herbst werden die letzten 2 000 Soldaten der Truppe ihre Garnisonen in Spich und Altenrath verlassen haben. Ende 2003 werden die Kasernen und der Truppenübungsplatz Wahner Heide an die Bundesrepublik zurückgegeben.

Vor mehreren hundert Ehrengästen im Camp Baudouin nahmen König Albert, Bundespräsident Rau, Verteidigungsminister Rudolf Scharping und sein belgischer Kollege Andre Flahaut eine Militärparade ab, an der sich alle Einheiten der 17. Brigade beteiligten, die den Kern der BSD ausmacht. König Albert sagte, die zahlreichen belgischen Einrichtungen in Deutschland, militärische wie zivile, seien so etwas wie eine "zehnte Provinz" seines Landes geworden.

Für die Streitkräfte sei Deutschland mehr als eine zweite Heimat gewesen. Rau erinnerte daran, dass die belgischen Truppen 1946 zunächst als Besatzungsmacht nach Deutschland gekommen seien. Daraus seien Bündnispartner und Freunde geworden. Die Integration der Belgier sei beispielhaft. Ein Beleg dafür sei, dass sich viele mit ihren Familien zum Bleiben entschieden hätten. "Sie sind und bleiben uns als gute Freunde und Nachbarn herzlich willkommen."

König Albert sprach von "herzlichen Kontakte zu den deutschen Instanzen auf allen Ebenen" und ließ Taten folgen. Er überreichte Orden an Troisdorfs Bürgermeister Manfred Uedelhoven, Flughafen-Geschäftsführer Wolfgang Klapdor, den Leiter des Forstamtes Wahner Heide, Jörg Pape, und an Oberst Freiherr Helmuth von Maltzahn, Chef des Verteidigungsbezirkskommandos 31. Zugleich sind die neuen Ordensträger Offiziere und Ritter des belgischen Kronenordens. Rau zeichnete im Gegenzug den Kommandeur der BSD, Oberst Alain Reynaert, mit dem großen Verdienstorden der Bundesrepublik aus.

Die derzeit noch genau 1 976 Soldaten in Spich und Altenrath sind gewissermaßen die Nachhut einer ehemals beachtlichen Streitmacht. Noch Mitte der 70er Jahre waren mehr als 40 000 belgische Soldaten mit NATO-Truppenstatus im Rheinland, im Sauerland und im südlichen Westfalen stationiert. Die ersten belgischen Einheiten waren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nach Troisdorf gekommen. 1946 übernahmen sie 200 Wohnungen, die zuvor die Engländer beschlagnahmt hatten, und den Truppenübungsplatz Wahner Heide, seit dem frühen 19. Jahrhundert von deutscher Artillerie für Schießübungen genutzt.

Artilleristen waren 1951 auch die ersten Bewohner der gerade fertiggestellten Kaserne in Altenrath.

Die 450 Soldaten des 1834 gegründeten "Regiments Rijdende Artillerie" sind heute noch im Heidedorf stationiert. Ihre letzten Pferde haben die berittenen Artilleristen allerdings schon vor dem Zweiten Weltkrieg ausgemustert. Heute sind sie mit schweren Panzerhaubitzen unterwegs. Auch die beiden Regimenter der Cyclisten haben längst ihre Fahrräder gegen motorisierte Transportfahrzeuge getauscht.

Abschied auf Raten

Der Abschied der Belgier war ein Abschied auf Raten. Schon 1990 war die Streitmacht auf 27 000 Soldaten geschrumpft. Hinzu kamen 30 000 Familienangehörige und mehrere tausend Zivil~angestellte. Allein 7 000 Belgier lebten damals in Troisdorf. Das Ende des Kalten Krieges hatte Konsequenzen: 1991 beschloss Belgien, seine Truppen in Deutschland bis 1997 um 90 Prozent zu reduzieren. Nur eine Brigade mit rund 3 000 Mann sollte bis 2015 in Deutschland bleiben - in Spich und Altenrath. Dass das Ende jetzt vorzeitig gekommen ist, liegt an einer 2000 beschlossenen Armeereform: Die 17. Brigade wird aufgelöst, ihre Einheiten in andere Armeeteile eingegliedert.

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