Da rümpft auch der Weihnachtsmann die Nase

Um einem Tannen-Diebstahl im Siebengebirge vorzubeugen, besprühten die Waldarbeiter vor 50 Jahren die Zweige mit einer später bestialisch riechenden Substanz - Erst durch Wärme wirkte das Spritzmittel

  Geruchsprobe:  Noch scheint alles unverdächtig. Josef Reins weiß aber, dass vor 50 Jahren die Tannen mit einem Spezialmittel behandelt wurden.

Geruchsprobe: Noch scheint alles unverdächtig. Josef Reins weiß aber, dass vor 50 Jahren die Tannen mit einem Spezialmittel behandelt wurden.

Foto: Handt

Bad Honnef. Schöne Bescherung. In manchen Stuben rümpfte einst der Weihnachtsmann die Nase. Da duftete es nicht nur nach Lebkuchen, Stollen und Gänsebraten, sondern da roch es auch undefinierbar unangenehm. Der Mief ähnelte dem von faulen Eiern. Somit stand aber auch eindeutig fest: Der Hausherr war nicht immer brav gewesen, zumindest in den letzten Tagen vor dem Fest nicht.

Früher wurden nämlich von einigen Waldbesitzern die Bäume, die einen prächtigen Christbaum abgeben würden, mit einem Mittel eingesprüht. Wer mit Axt und Säge in den Wald zog und sich dort heimlich mit einem Baum eindeckte, merkte zunächst nichts. Aber noch ehe die letzte Kugel und das Lametta an den Zweigen hingen, verströmte der Baum einen derart bestialischen Gestank, dass er postwendend rausflog.

"Wenn also am ersten Weihnachtstag in einem Garten ein abgeschmückter Baum lag, dann gewiss nicht deshalb, weil er bereits nadelte", schmunzelt Josef Reins. "Erst durch die Wärme im Raum wirkte das Spritzmittel. In den fünfziger Jahren war es verbreitet, sich auf eigene Faust einen Baum zu verschaffen." Die Stadtverwaltung Bad Honnef ließ deshalb am 9. Dezember 1955 eine Meldung in der Honnefer Volkszeitung veröffentlichen.

Darin wurde auf eine Spritzaktion im Stadtwald und deren Folgen verwiesen und Übeltäter vorzeitig gewarnt. Hans Stang, selbst "Weihnachtsbaumzüchter", entsinnt sich an diese Meldung: "Ich habe damals herzlich darüber gelacht."

Vielleicht sollte die Warnung nur als Abschreckung dienen, vermutet Josef Reins. "Damals standen auch Schilder in den Schonungen mit der Aufschrift: ,Vorsicht, gespritzt.' Meist haben lediglich diejenigen gespritzt, die größere Anlagen hatten", weiß der Selhofer, der mit seinem Vater Wilhelm und seinem Bruder Willi 1956 die ersten Fichten pflanzte.

Hans Müller, Vorsitzender vom 1952 gegründeten Waldbauverein mit heute 45 aktiven Mitgliedern, hat eigene Erfahrungen gemacht. "Der Weihnachtsbaumdiebstahl war Volkssport. Ganze Bestände, auch welche von der Stadt, wurden deshalb mit Kornitol eingesprüht. Wir zogen dazu alte Klamotten an, denn der Geruch zog in die Sachen. Mit Handschuhen schützten wir uns, da das Mittel auch an den Händen haftete. Kornitol, das außerdem gegen Wildverbiss half, ist aber schon lange verboten", berichtet Hans Müller, der mit seinem Vater Heinrich Fichten anbaute und 1969 erstmals Weihnachtsbäume anbieten konnte.

Mittlerweile hat er mit Christbäumen nichts mehr am Hut. "Das lohnt sich nicht mehr." Und der Geschmack hat sich außerdem verändert. Früher waren Fichten "modern". "Heutzutage", sagt Reins, "wollen von dreißig vielleicht noch drei Kunden eine Fichte." Die anderen bevorzugen Edeltannen. 1996 hat er zuletzt eine Plantage mit solchen noblen Gewächsen angelegt. "Die Nordmanntanne ist ein Nesthocker, wächst anfangs langsam." Nach etwa sechs Jahren können die ersten als Weihnachtsbäume "geerntet" werden. Davor haben die Waldbauern eine Menge Arbeit. Die Pflanzen müssen mehrfach verpflanzt und jedes Jahr dreimal von wuchernden Dornenhecken freigeschnitten werden.

Die Nordmanntanne hat ihre Herkunft in Georgien, wo riesige Exemplare stehen. Große Baumschulen holen sich den Samen direkt dort. Aber nicht jeder Baum eignet sich zum Weihnachtsbaum; nur die schön gewachsenen Stücke haben die Chance auf eine Weihnachtsbaumkarriere mit Kugeln, Lametta und Engelshaar. Von den anderen wird immer wieder Schmuckreisig abgeschnitten. Wirtschaftlich sind die "Buckligen" jedenfalls am Ende einträglicher als die "Hübschen".

"Ein zwölf Jahre alter Baum, der als Schnittgrünlieferant dient, bringt das Fünffache an Geld ein im Vergleich zum Christbaum", rechnet Josef Reins vor. Bäume sind das Hobby des 67-Jährigen. Er muss die Tannen mit Zäunen weniger vor Dieben als vor Tieren schützen. Rehe knabbern nämlich gern die frischen Zweige ab, und Wildschweine wühlen und werfen Baby-Bäume gern um. Gestohlen wurde eher wenig. "Vor einigen Jahren wurden mir nur zwei von 800 Bäumen geklaut", berichtet Reins. "Von Plantagen in Autobahnnähe allerdings werden schon mal große Mengen heimlich mit dem Lastwagen abtransportiert."

Lachen muss Willi Reins über einen besonderen Vorfall. Da hatten sich Käufer lange vor dem Fest für einen bestimmten Baum entschieden. Ein Namensschild wies darauf hin. Den Dieben gefiel offensichtlich dieses Exemplar auch. Ruckzuck war es ab. Das Schildchen legten die Schurken auf den abgesägten Stumpf.

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