"Dann sagte sie: Bald bist du im Himmel"

Rentnerin soll mit einem Kanonenrohr-Nachbau ihre Vermieterin in Sankt Augustin zusammen geschlagen haben - Anklage wirft der 67-Jährigen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor

Sankt Augustin. Eine 67-jährige Rentnerin muss sich seit Montag vor dem Bonner Schwurgericht wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau vor, am 3. Juli 2003 in Sankt Augustin ihre damals 80 Jahre alte Vermieterin mit dem massiven Nachbau eines Kanonenrohrs zusammen geschlagen zu haben.

Dabei habe sie den Tod ihres Opfers billigend in Kauf genommen. Mit acht stark blutenden Kopfwunden wurde die geh- und sehbehinderte Frau seinerzeit ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie mehr als 14 Tage bleiben musste. Die Täterin war stark alkoholisiert: Eine von der Polizei angeordnete Blutprobe ergab rund zwei Promille.

Beim Prozessauftakt am Montag im Bonner Schwurgericht sagte die Angeklagte: "Ich möchte mich in aller Öffentlichkeit entschuldigen, dass ich Frau M. so schwer verletzt habe." Die Angeklagte sagte, von der Schwere der Verletzungen habe sie erst später von ihrem Anwalt erfahren. "Es tut mir sehr Leid, dass das von meiner Seite so eskaliert ist."

Die Angeklagte schilderte dem Gericht, dass sie vor der Tat mit Bekannten in einem Bonner Café gefeiert, Bier und Kräuterlikör getrunken habe. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Udo Buhren bestätigte sie: "Da bin ich offen und ehrlich, Herr Vorsitzender. Ich hatte ganz schön einen sitzen." In diesem Zustand sei sie gegen 21.30 Uhr mit dem Taxi zu dem Einfamilienhaus gefahren, das sie mit der damals 80-Jährigen bewohnte. Dort habe ihre Vermieterin sie bereits im Flur empfangen: "Sie kam auf mich zu mit den Worten 'Du dreckige Sau'."

Außerdem habe ihre Vermieterin gefragt, wann sie endlich ausziehe. Der Vermieterin habe ihr neuer Freund nicht gepasst. Aus dem Streit mit Worten sei eine körperliche Auseinandersetzung geworden, bei der sich die Frauen gegenseitig geschlagen hätten.

Die Angeklagte sagte, sie habe sich verteidigt und mit dem Kanonenrohr-Imitat zurückgeschlagen. Später habe sie das Haus nochmals verlassen, um in einen Imbiss zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt habe ihre Vermieterin keineswegs blutend im Flur gelegen, sondern auf ihrem Bett gesessen.

Die Version des Opfers hörte sich ganz anders an. Die 81-Jährige sagte, das Verhältnis sei zerrüttet gewesen. Ihre Mieterin habe Türen geschlagen und geliehenes Geld nicht vollständig zurück gegeben. Am Abend der Tat sei sie in ihr Schlafzimmer eingedrungen, wo es zu einem Handgemenge gekommen sei, das sich in den Flur verlagert habe. "Von der Treppe rief sie mir zu: Sie sind ja lesbisch." Weil sie darüber lachte, habe die 67-Jährige wutentbrannt mit dem massiven Holzrohr auf ihren Kopf eingeschlagen. "Dann beugte sie sich über mich und sagte: Bald bist du im Himmel."

Nach einer Ohnmacht habe sie den Hausnotruf betätigt und sei auf dem Po zum Telefon gerutscht, um die Polizei zu verständigen. Ihre Tochter schilderte, wie sie ihre Mutter blutüberströmt gefunden hatte. "Das Blut war bis an die Wand gespritzt."

Nach ihrer Rückkehr aus der Imbissbude wurde die 67-Jährige in ihrer Wohnung festgenommen. Ein Polizeibeamter beschrieb am Montag ihren damaligen Zustand: "Sie war sehr stark alkoholisiert und war sehr krakeelig." Weil sie renitent und aggressiv gewesen sei, habe man die Frau in Gewahrsam genommen.

Die Rentnerin habe die Beamten beschimpft. Ein psychologischer Gutachter sagte, wegen der hohen Alkoholisierung der Angeklagten könne er eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht ausschließen.

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