Flüchtlinge in Sankt Augustin "Das Schlimmste ist das Nichtstun"

SANKT AUGUSTIN · Auf der Baustelle nebenan ist es laut. Der Betonmischer rattert, eine Säge kreischt. Ansonsten liegt am Freitag Ruhe über dem Gelände, auf dem die Bundeswehr einst ihre Medienzentrale untergebracht hatte. Ab September wird Leben einziehen in die Räume.

 Ab September dient die ehemalige Medienzentrale als zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge.

Ab September dient die ehemalige Medienzentrale als zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge.

Foto: Michael Lehnberg

Wie berichtet, macht die Bezirksregierung Köln das Gebäude zur zentralen Flüchtlingsunterkunft. In der Regel 500 Menschen bleiben ein bis zwei Monate, bevor sie auf die NRW-Kommunen verteilt werden. Von der Neuigkeit ist am Tag nach der Bekanntgabe vor Ort nichts zu spüren. Unkraut wächst, wo früher die Mitarbeiter ihre Autos parkten. Auf dem Dach stehen noch die Antennen. Im Erdgeschoss sind die Rollladen heruntergelassen. An einer Hauswand lehnen ausrangierte Matratzen.

Agnes und Michael Orth lassen ihren Blick über die Gebäude schweifen. "Ich finde es gut, dass sie nun eine so sinnvolle Nutzung finden", sagt Michael Orth, der mit seiner Frau unweit im Tannenweg wohnt. "Wir sind froh, dass den vielen Flüchtlingen geholfen wird", ergänzt seine Frau. Wie die Reaktionen in der Nachbarschaft sind, weiß das Paar nicht, dazu sei die Information noch zu frisch.

Ratsmitglieder schweigen

Am Ort des Geschehens ist es also eher ruhig, und auch die Ratsmitglieder halten sich zurück: Zusätzlich zur gemeinsamen Erklärung der Fraktionen wollen sie keine Statements abgeben. Der stellvertretende Regierungspräsident der Bezirksregierung Köln, Wilhelm Steitz, hatte am Donnerstag gegenüber der Presse erklärt, dass auch kritische Äußerungen ernst genommen würden. "Es muss möglich sein, Sorgen und Ängste zu artikulieren."

Das taten die Anwohner am Donnerstagabend bei einem Treffen auch ausgiebig. Dennoch sei es laut Stadtsprecherin Eva Stocksiefen eine gute Veranstaltung gewesen. "Es hat keinerlei Aussagen grundsätzlich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen oder gegen Ausländer gegeben." So habe es etwa Spendenankündigungen gegeben. Zudem habe ein Arzt angekündigt, dass er sich vorstellen könne, ehrenamtlich Sprechstunden abzuhalten.

Schulbesuche erwünscht

Zur Personalausstattung der Einrichtung sagte Steitz: "Das kommt am Ende schon einem mittleren Betrieb nahe." Sicherheitskräfte, Sozialarbeiter sowie eine examinierte Krankenschwester werden dort arbeiten. Die weitere medizinische Versorgung wird in der Regel über die niedergelassenen Ärzte sichergestellt - oftmals ehrenamtlich und in der Freizeit, berichtete Steitz. Eine Schulpflicht für die Kinder in dieser Einrichtung gebe es hingegen nicht. Dennoch sei es erwünscht, dass die Kinder zu Hospitationen die Schulen besuchen könnten, so Freia Johannsen, Sprecherin der Bezirksregierung.

Sprachunterricht für die Flüchtlinge werde von der verantwortlichen European Home Care organisiert, oftmals auch mit ehrenamtlichen Kräften. Für Elterncafés, Kinderspielgruppen oder Bildungsprogramme hofft die Bezirksregierung auf rege Beteiligung der Bürger. "Das Schlimmste für die Flüchtlinge ist das Nichtstun", sagte Steitz.

Die Kirchen als mögliche Helfer zeigten sich zunächst überrascht. Der stellvertretende Vorsitzende des Presbyteriums der Pauluskirche, Klaus Gläsner, sagte: "Das ist für uns ein neuer Sachstand in der Urlaubszeit, aber wir sind uns unserer Verantwortung bewusst." Der leitende Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde, Peter Emontzpohl, sagte: "Wir werden helfen, wo wir helfen können."

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