Nach dem Fall Ulmen Das sind die offenen Vermisstenfälle der Bonner Polizei

BONN · Er ist der nette Nachbar, der gute Ehemann und Vater. Alle glauben, ihn zu kennen, bis plötzlich die Polizei kommt und sich herausstellt: Jahre- manchmal sogar jahrzehntelang hatte dieser Mensch ein furchtbares Geheimnis. Er hat einen Menschen getötet.

Phil und Kath Kerton aus England warten auf ein Lebenszeichen ihrer Tochter Louise, die 2001 in Swisttal-Straßfeld war.

Phil und Kath Kerton aus England warten auf ein Lebenszeichen ihrer Tochter Louise, die 2001 in Swisttal-Straßfeld war.

Foto: dpa

So ist es nun im Fall Trudel Ulmen, die vor 16 Jahren von ihrem Ehemann dessen Geständnis zufolge umgebracht und zur Vertuschung vermisst gemeldet wurde. Und so war es in anderen Fällen in der Region, die erst nach Jahren aufgeklärt wurden.

Wie oft die Personen, die jemanden als vermisst melden, auch diejenigen sind, die sie haben verschwinden lassen, wird sich wohl nie klären lassen. Bei Bonns Polizei und Justiz sind zwei Fälle als besonders brisant in Erinnerung geblieben.

Im August 1988 meldete die Geschäftsfrau und zweifache Mutter Monika A. aus Lohmar-Breidt ihren Mann Klaus als vermisst und erklärte, er sei mit mehreren hunderttausend Mark verschwunden.

Erst fast drei Jahre später kam die Wahrheit ans Licht - dank der Hartnäckigkeit eines Polizisten, der ihr nie traute und den damaligen Liebhaber immer wieder befragte. Der gestand schließlich: Monika A. habe ihren Mann getötet, und er habe ihr geholfen, die Leiche im Garten zu vergraben.

Erst vor dem Bonner Schwurgericht kam durch die Aussage der kleinen Kinder die ganze Wahrheit ans Licht: Sie hatten gehört, wie die Mutter den schlafenden Vater erschossen hatte. Im März 1992 wurde Monika A. zu lebenslanger Haft verurteilt.

Wie im Fall Ulmen wird auch ein Mord, der im August 1993 begangen wurde, erst zwölf Jahre später überhaupt als Verbrechen erkannt: Im Herbst 1993 meldet der 60-jährige gebürtige Syrer Ali H. seine 17-jährige Tochter Waffa als abgängig und gab das Sorgerecht für sie ans Jugendamt ab.

Das Mädchen ist nicht auffindbar. Ein Fall für die Kriminalpolizei wird es jedoch erst zwölf Jahre später. Da zeigt Waffas ältere Schwester trotz ihrer Todesangst bei der Polizei an, ihre Schwester sei von ihrem Vater und zwei Cousins zur Ehrenrettung der Familie ermordet worden.

Im Prozess gesteht der Vater die Tötung, entlastet aber seine Neffen. Das Gericht kann ihm nur Totschlag nachweisen und verurteilt ihn Ende März 2008 zu acht Jahren Haft.

Während die Aufklärung dieser beiden Fälle den Gewissensnöten von Zeugen zu verdanken ist, hilft in anderen Fällen mittlerweile eine streng wissenschaftliche Methode: die Erbgutanalyse.

Seitdem die Bundesländer seit 1998 die Erbinformationen von Kriminellen und die DNA-Spuren ungelöster Fälle in das zentrale Register des Bundeskriminalamtes einspeisen, werden bundesweit alte Mordfälle geklärt. Auch im Bonner Raum.

So wurde der Mörder der Heilpraktikerin Dorothea Reischl aus Morenhoven nach 21 Jahren 2006 mit Hilfe eines DNA-Abgleichs gefasst und 2007 zu lebenslanger Haft verurteilt. Zwei Jahre danach starb er in der Haftanstalt an einem Herzinfarkt.

Und auch die Tötung der Bonner Journalistin Regine Pachner, die am 16. Juli 1992 von ihrem Sohn gefunden worden war, wurde 2011 so geklärt: Der Täter war der beste Freund des Sohnes. Der zur Tatzeit 17-Jährige wurde am 7. März wegen Totschlags zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Ein alter Fall jedoch, der Anfang 2005 geklärt schien, bleibt unaufgeklärt: Da wurde ein Freund des 1992 in Tannenbusch getöteten Werner G. als mutmaßlicher Täter verhaftet. Doch der angeblich sichere DNA-Beweis erwies sich als nicht schlagkräftig.

Der Freund wurde freigesprochen. Wie viele der auch in Bonn noch offenen Mordfälle mittels DNA geklärt werden können, wird sich zeigen. Eines steht jedenfalls fest: Die Aufarbeitung dauert länger, als der Polizei lieb ist. Grund: die personelle und technische Ausstattung für den DNA-Abgleich in den kriminaltechnischen Labors der Landeskriminalämter.

In anderen Fällen aber scheint die Aufklärung mehr als fraglich. Es sind die Fälle, in denen Menschen einfach verschwunden sind. Der spektakulärste Fall ist wohl der des seit dem 13. Juli 1994 verschwundenen Millionärsehepaares Hagen.

Trotz intensiver Ermittlungen und einer Belohnung von einer Million Mark fand sich nie eine Spur des Ehepaares. Genauso wenig wie von der am 30. Juli 2001 zuletzt gesehenen Engländerin Louise Kerton, die ihre angehenden Schwiegereltern in Swisttal besucht hatte.

Polizeisprecher Harry Kolbe zufolge gibt es in Bonn seit 1982 noch immer 20 sogenannte Langzeitvermisste. Ob sie Suizid begangen haben, einem Unfall oder Verbrechen zum Opfer gefallen sind, ist unbekannt.

In einem in Bonn gemeldeten Vermisstenfall geht die Polizei laut Kolbe von einem tragischen Unfall aus: Seit einem Urlaub in den Bergen ist ein Vater mit seinem Sohn verschwunden. In einem anderen Fall vermutet die Polizei einen Selbstmord: Eine Bonnerin verschwand spurlos von einem Kreuzfahrtschiff. Trudel Ulmen aber, die nicht einmal als vermisst galt, steht nun in der Statistik der aufgeklärten alten Fälle.

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