"Das war damals eine Zeit des Gigantismus"

Noch drei Tage bis zur Sprengung - Zeitzeugen erinnern sich - Heinz-Bernward Gerhardus, Josef Ludwig, Peter Klaßmann und Norbert Königshausen faszinierten des Kaisers Hotel-Pläne

Troisdorf. Am Sonntag um acht fällt der Gigant in Grau. Einer, der maßgeblich mit dazu beitrug, dass Franz Kaiser seinen Unvollendeten neben die Flughafenautobahn stellen konnte, wird nicht dabei sein. Und das, obwohl er eine der besten Aussichten überhaupt auf das Schauspiel hätte. Tagein, tagaus sah und sieht Josef Ludwig die Betonruine, 300 Meter von seinem Fenster entfernt. So unerschütterlich, als könne ihr nichts und niemand etwas anhaben. Einfach so, still und leise, kehrt der Alt-Bürgermeister dem Betonklotz den Rücken. Er fährt am 13. Mai nach Dresden, um ein paar Tage später nur noch auf einen Trümmerhaufen zu schauen.

Des Kaiserbaus Ende naht. Und irgendwie wird auch Ludwig Abschied nehmen von einem ehedem großen Projekt, das letztlich doch ein Hotel wurde, wenn auch nur im Sinne der Kunst. Wie er Ade sagt, weiß er noch nicht so genau. Aber eines weiß er sicher: "Ich werde ihn vermissen, aber es tut mir nicht leid um ihn." Ludwig war einer der ersten, die Kaisers Projekt forcierten, als Politiker wie auch als Chef der Raiffeisenbank Sieglar. "Das war ein großes politisches Ereignis damals", erinnert sich der 80-Jährige. "Und es wäre sicher etwas Gutes geworden."

Das glaubt auch Norbert Königshausen, vor drei Jahrzehnten Vorsitzender des städtischen Planungsausschusses. "Für uns war das etwas ganz Tolles", sagt der Christdemokrat. Das Hotel hätte die gerade zusammenwachsende Stadt nach der Gebietsreform aufgewertet. Politiker aller Couleur seien regelrecht euphorisch gewesen. "Auch ich war stolz darauf, dass wir ein Hotel dieser Größenordnung bekommen." Bis vor vier, fünf Jahren habe er gar daran geglaubt, dass es noch etwas mit dem Hotel würde.

Wurde es ja auch. Wenn auch nur mit plakativen Gästen auf der Fassade: Markante, künstlerisch verfremdete Portraits bekannter Personen der Geschichte, die HA Schult dort aufhängen ließ. "Aber das hat Troisdorf sicher ganz gut getan", bewertet Königshausen die Aktion "Hotel Europa" positiv. Für ihn sei gar vorstellbar gewesen, mehr aus diesem Projekt zu machen. "Schließlich ist der Kaiserbau der markanteste Punkt Troisdorfs." Zwei Seelen schlagen in seiner Brust, wenn er daran denkt, dass der Koloss am Muttertag kippt. "Irgendwie ist mir die Ruine ans Herz gewachsen. Ich werde sie aber nicht so vermissen wie das alte Sieglarer Rathaus, das auch gesprengt wurde und einem 08-15-Bau weichen musste."

Gleichwohl könne er nun nicht mehr ganz so gut erklären, wo Troisdorf liege. "Wenn ich von der Hochhaus-Ruine an der A 59 spreche, wissen eigentlich alle immer sofort Bescheid." Für ein paar Jahre wird''s vielleicht noch gehen, wenn er sagt, "dort, wo der Betonriese stand". Damals, vor gut 30 Jahren, konnte eben alles nicht anonym und hoch genug sein. "Es war eine Zeit des Gigantismus", sagt Heinz-Bernward Gerhardus. Als Stadtdirektor hatte er 1970 den Politikern Kaisers-Projekt vorgestellt und einige Jahre geduldig daran festgehalten. Froh ist der 70-Jährige schon, wenn der Bau gesprengt wird, auch wenn er das nicht immer gewollt hat. Aber selbst er hatte keine Idee mehr, was denn auf dem Areal passieren sollte, als klar war, dass der Kölner Baulöwe sein Hotel niemals vollenden würde. In der Not fragte Gerhardus einen bekannten Experten um Rat. Dessen Antwort: "Das kann ich Ihnen nicht sagen. Da müssen Sie einen Weisen aus Persien fragen."

Der vergangenen September verstorbene Franz Kaiser indes hat zu Lebzeiten nie aufgegeben. "Der hat uns die tollsten Geschichten erzählt, was er denn noch alles daraus machen werde," erinnert sich Gerhardus. Doch Kaiser habe im Hotel-Geschäft keine Erfahrung gehabt. Und so sei alles nur heiße Luft gewesen. Kaiser hatte auch utopische Vorstellungen vom Wert des Rohbaus. 34 Millionen Mark, meinte der Kölner, könnte er dafür bekommen. "Ein Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass es minus zwei Millionen waren."

An die Begeisterung, von der sich viele Troisdorfer zu der Zeit anstecken ließen, denkt Peter Klaßmann gerne zurück. "Die Pläne haben mich fasziniert", sagte der Mann, der damals CDU-Fraktionsvorsitzender war. Erst vergangenes Jahr hat er die Akten in den Reißwolf gegeben. Alle seien damals überzeugt von dem Projekt gewesen. Umso tiefer habe der Schock gesessen, als Kaisers Pleite die Runde machte. "Wir haben immer wieder gehofft, denn Kaiser war ja sehr hartnäckig und hat uns regelrecht verfolgt." Vor allem benötigten die Sieglarer eine Art Bürgerhaus. Das Hotel hätte das Problem vorerst gelöst. Jetzt gibt''s die "Küz" - und nach Sonntag keinen Kaiserbau mehr. Wenn der Sprengmeister auf den Knopf drückt, wird Klaßmann im Urlaub sein. "Und wenn ich zurückkomm'', werde ich ihn sicher nicht vermissen."

Heinz-Bernward Gerhardus will sich die Sprengung um acht nicht entgehen lassen - und hat einen Wunsch: "Hoffentlich haben die einen besseren Sprengmeister als damals beim alten Sieglarer Rathaus." Damals, am 12. August 1995, steht Gerhardus hoch oben in der Raiba-Zentrale am Fenster, hört den großen Knall und sieht die riesige Staubwolke. Als die sich verzieht, ist die Überraschung perfekt: Ein kompletter Flügel des Rathauses steht noch.

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