GA-Serie "Rheinische Redensarten" De Wind blös et im nit aan

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

 Der Wind bläst es ihm nicht an.

Der Wind bläst es ihm nicht an.

Foto: GA-Grafik

Ganz up to date sind die Rheinländer mit einer ganz traditionellen Redensart, die unter anderem für die schöne Voreifel verbürgt ist. Wir sprechen von:

„De Wind blös et im nit aan“. Selbst wenn wir das fix pflichtschuldig ins Hochdeutsche übersetzen, hilft das nicht sofort weiter: Der Wind bläst es ihm nicht an. Na, und nu? Da ist schon viel Gehirnschmalz von Nöten, um uns auf die richtige Fährte zu setzen. Die Mundartsprecherin, die uns diesen Satz anempfohlen hat, gibt einen Tipp: Es geht hier um Körperproportionen.

Wie gesagt, ein ganz aktuelles Thema in Zeiten von Muckibude, Diätwahn und Facebook-Selbstdarstellung.

Der Wind bläst es ihm nicht an, soll also bedeuten, dass sich ein korpulenter Mensch schon über eine längere Phase hat anstrengen müssen, um sich seine Fettpölsterchen ehrenvoll zu erwerben. Es ist keineswegs so, dass er kurz vor die Türe getreten ist, vom dort vorhandenen Wind ergriffen wurde, der die – bleiben wir bei dem Wort – Pölsterchen mit sich brachte und sie am zugleich überrumpelten wie überraschten Menschen hinterließ. Wäre es so, dann würde er ganz und gar nichts dafür können.

Tatsächlich, und das ist die Botschaft zwischen den Zeilen, ist der Junge oder das Mädchen selbst Schuld. So meint es jedenfalls die Redensart. Er wird schon einiges dafür getan haben, dass er jetzt so aussieht wie er aussieht.

Diese Basisthese lässt natürlich völlig außer Acht, dass es geteilte Meinungen über die Schuldfrage hinsichtlich korpulenter Menschen gibt. Vielleicht wurde ihm als Kind falsches Essen antrainiert, vielleicht sind es die Gene? Oder, auch immer gerne genommen: Das sind die Drüsen!

Kurz und gut, unsere rheinische Redensart enthält implizit die Aufforderung, etwas für sich zu tun. FDH (friss die Hälfte), Kalorien zählen und sparen, mehr Sport, lieber Eiweiß essen, auf Fett und Kohlenhydrate verzichten. Kein Zucker, kein Alkohol, dafür Wasser aus der Leitung und alle Nahrungsmittel vollwertig, am besten vegan. Da würde man sich doch wünschen, dass der Wind doch der Schuldige wäre.

Haben auch Sie einen rheinischen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns unter rheinisch@ga.de. Die „Rheinischen Redensarten“ aus der wöchentlichen Kolumnenserie des General-Anzeigers sind als Buch erschienen und ab sofort in den GA-Geschäftsstellen und im Handel zu haben. Das gedruckte Werk hat die Edition Lempertz verlegt, ISBN: 978-3-96058-211-3, es kostet 9,99 Euro.

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