Der Gutachter kommt am Eid nicht vorbei

Experten sehen Klärungsbedarf - Sachverständiger muss ein zweites Mal vor Koblenzer Gericht erscheinen

Koblenz. Im Revisionsprozess gegen den des Mordes an seiner Cousine angeklagten Brohl-Lützinger hatten am Freitag die Gutachter das Wort. Mit Ingo Baltes eröffnete der erste von drei Sachverständigen den Reigen der Stellungnahmen zum psychischen Gesundheitszustand des 26-jährigen Angeklagten.

Baltes war bereits beim ersten Prozess als vom Gericht bestellter Experte tätig. Seinem damaligen Gutachten attestierte der Bundesgerichtshof "erhebliche Mängel", weshalb er dem Revisionsantrag der Verteidigung stattgegeben und das Verfahren an das Landgericht zurück verwiesen hatte.

Nachdem Richterin Helga Diedehofen die Verhandlung am Freitag geschlossen hatte, dürfte Baltes durchgeatmet haben. Denn offensichtlich sahen insbesondere die beiden Sachverständigenkollegen im Anschluss an dessen Gutachten immer noch erheblichen Klärungsbedarf.

Von den Sachverständigen erhofft das Gericht Aufschlüsse über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten. In seinem ersten Gutachten hatte Baltes bei dem Angeklagten eine "schwere seelische Abartigkeit" diagnostiziert, woraufhin das Gericht den 26-Jährigen wegen Schuldunfähigkeit vom Vorwurf des Mordes freisprach und die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik anordnete.

Auch am Freitag bezeichnete Baltes den Angeklagten als keinesfalls intellektuell minderbegabt, sah allerdings auch Verhaltensauffälligkeiten wie etwa das Quälen von Katzen oder auch das Praktizieren von Fesselspielen mit seiner Freundin. Dieses laut Gutachter seltsame und bizarre Verhalten des Angeklagten spreche für eine charakterliche Fehlentwicklung.

Unterstellt, dass der 26-Jährige seine Cousine tatsächlich getötet habe, sei die Tat die dramatische Fortschreibung ausgeprägter aggressiver und sadistischer Neigungen. Im Ergebnis korrigierte der Gutachter am Freitag seine im ersten Prozess gestellte Diagnose. Zwar attestiert er dem Angeklagten nach wie vor eine schwere Ausprägung seelischer Abartigkeit und eine verminderte Steuerungsfähigkeit.

Auch sieht er nach wie vor das Risiko, dass der 26-Jährige in Freiheit weitere ähnliche Straftaten begehen könnte, weshalb er die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für dringend geboten hält. Im Vergleich zum ersten Gutachten aber, das Baltes am Freitag als überholt bezeichnete, habe er Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten anders bewertet. Im Ergebnis laute seine Diagnose "Kombinierte Persönlichkeitsstörung".

Die Mimik der beiden anderen Sachverständigen ließ darauf schließen, dass sie die Ausführungen ihres Kollegen nicht unbedingt teilten. Ihre ebenso präzisen wie hartnäckigen Fragen bestätigten diesen Eindruck. "Vor dem Hintergrund der Tat stellen Sie eine eindeutige Diagnose. Aber was ist, wenn der Angeklagte die Tatumstände nur inszeniert hat, um Sie auf die falsche Spur zu führen", fragte etwa Professor Johann Glatzel.

"Dann habe ich mich geirrt", musste Baltes zugeben, der im Zuge der Befragung ein ums andere Mal einen offensichtlich verunsicherten Eindruck machte. Auf Antrag der Verteidigung, die auch dem zweiten Gutachten grundsätzliche Mängel zuschreibt, vereidigte das Gericht Ingo Baltes. Zudem sieht das Gericht hinsichtlich des Gutachtens weiteren Klärungsbedarf und lud den Gutachter zum nächsten Verhandlungstag. Ursprünglich war vorgesehen, ihn als Zeugen zu entlassen.

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