Der Kölner Müllprozess droht zu platzen

Die Staatsanwaltschaft legt kurz vor Ende des Verfahrens umfangreiche neue Beweismittel vor - Nun drohen gesetzliche Fristen zu verstreichen

  Rund 30 Kartons  neuer Akten zum Bau der Müllverbrennungsanlage im Kölner Norden muss der Richter Martin Baur nun sichten lassen.

Rund 30 Kartons neuer Akten zum Bau der Müllverbrennungsanlage im Kölner Norden muss der Richter Martin Baur nun sichten lassen.

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Köln. (dpa) Es geht um Müll und Millionen. Seit Ende November 2003 läuft vor dem Kölner Landgericht das Verfahren im so genannten Müllskandalprozess ( der GA berichtete). Manipulierte Angebote für den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) und Schmiergeldzahlungen in Höhe von elf Millionen Euro werfen die Behörden den Angeklagten vor.

Noch vor kurzem hatte der Vorsitzende Richter Martin Baur angekündigt, die Beweisaufnahme könnte bereits im März abgeschlossen werden. Ein Urteil, sagte Baur, könne für Ende April erwartet werden.

Dieser Termin könnte nach einer plötzlichen Wende am 30. Verhandlungstag in weite Ferne gerückt sein: Die Staatsanwaltschaft legte überraschend eine Fülle von neuen Beweismitteln vor. Rund 30 Kartons neuer Unterlagen brachte die Anklagebehörde in den Prozess ein. Sehr zur Entrüstung des Vorsitzenden Richters. "Das ist mir noch nicht untergekommen. Es ist selbstverständlich, dass man alles vorlegt", sagte Baur erbost.

Die Staatsanwaltschaft hingegen wies die Kritik zurück. Oberstaatsanwalt Norbert Krakau sagte, die nun vorgelegten Unterlagen seien von seiner Behörde bislang als "unerheblich" für den Prozess angesehen worden. "Der Beweiswert ist gleich Null", meinte Krakau.

Im Prozessverlauf waren Vorwürfe laut geworden, die Staatsanwaltschaft habe ein wichtiges Beweismittel nicht in die Prozessakten aufgenommen. Danach hatte der Richter angeordnet, dass alle bei Polizei und Staatsanwaltschaft vorliegenden Unterlagen dem Gericht zur Verfügung gestellt werden müssten.

Das Problem, mit dem sich der Vorsitzende Richter Baur nun auseinander setzen muss, ist der Umfang des Materials. Für die Sichtung benötige man Zeit, wodurch die gesetzlich vorgeschrieben Fristen zur Fortführung eines Prozesses vielleicht nicht eingehalten werden könnten.

Die mögliche Folge: Der Prozess müsste völlig neu aufgerollt werden, prominente Zeugen wie beispielsweise die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) oder der ehemalige Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes müssten neu vernommen werden. Über das weitere Vorgehen will Baur am Mittwoch beraten und am Donnerstag das Ergebnis mitteilen.

Als mutmaßliche Täter stehen vor Gericht: Sigfrid Michelfelder, ehemaliger Geschäftsführer des Gummersbacher Anlagenbau-Unternehmens Steinmüller, Ulrich Eisermann, früherer Chef der Abfallentsorgungsgesellschaft (AVG) und der einstige SPD-Politiker Norbert Rüther.

Ex-Steinmüller-Manager Michelfelder und der frühere AVG-Chef Eisermann hatten Schmiergeldzahlungen gestanden. Michelfelder wollte nach eigenen Angaben mit den Zahlungen den Großauftrag zum Bau der Müllverbrennungsanlage sichern. Eisermann hatte zugegeben, knapp fünf Millionen Euro erhalten zu haben. Davon will er eine Millionen Euro an den früheren SPD-Politiker Norbert Rüther gezahlt haben.

Rüther hingegen hatte zwar eingeräumt, 400 000 Euro Barspenden in die Parteikasse geschleust zu haben. Er sieht sich aber durch Eisermanns Aussage, er habe Rüther eine Million Euro gezahlt, zu Unrecht beschuldigt.

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