ÖPNV ohne Schienen Der Krieg bremste die Gleislose aus

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Bis vor 100 Jahren verband die Oberleitung Bad Neuenahr und Walporzheim. Mit Beginn des ersten Weltkriegs begann auch das Ende der Strecke.

 Die Gleislose auf dem Ahrweiler Marktplatz. Die Aufnahme stammt vermutlich aus dem Gründungsjahr 1906 und zeigt auch Personal des Unternehmens.

Die Gleislose auf dem Ahrweiler Marktplatz. Die Aufnahme stammt vermutlich aus dem Gründungsjahr 1906 und zeigt auch Personal des Unternehmens.

Foto: Martin Gausmann

Weihnachten vor 100 Jahren. Der Erste Weltkrieg tobt an allen Fronten. Die Rohstoffe werden knapp im damaligen Kaiserreich. Grund: Die Seeblockade durch die Briten. Ein Unterfangen, das auch Auswirkungen auf den Personennahverkehr in Ahrweiler und dem benachbarten Neuenahr, das damals zwar schon Bad war aber noch keinen Badtitel trug, hatte.

Denn nach zehnjähriger Erfolgsgeschichte stellte die Gleislose, eine Art Straßenbahn ohne Schienen, oder auch O-Bus zu Weihnachten 1916 ihren regelmäßigen Verkehr zwischen dem Neuenahrer Bahnhof und Walporzheim mangels Ersatzteilen ein. Sporadisch fuhr die elektrische Bahn noch bis April 1917, 1919 wurde das Unternehmen liquidiert.

Dabei hatte alles so gut begonnen. Im Herbst 1905 gründete die Stadt Ahrweiler die „Elektrische gleislose Bahn Ahrweiler“ als GmbH. Das Stammkapital betrug 140.000 Reichsmark, was einer Kaufkraft von heute etwa 700 000 Euro entspricht. Am 23. Mai vor 110 Jahren nahm das in Sachsen gebaute Bähnchen seinen Betrieb auf, mit drei Triebwagen und zwei Personenanhängern in der damals noch üblichen Kutschenform.

Erfolgreich, denn schon im ersten Betriebsjahr wurden 88.000 Menschen befördert. Triebwagen und Anhänger fassten jeweils 20 Personen. Das Personal bestand aus einem Betriebsleiter, der gleichzeitig den Dienst als Werkmeister und Kontrolleur versah, drei Wagenführern, drei Schaffnern und einem Reparaturschlosser. Der Strom für die Oberleitung kam aus dem Kraftwerk der Ahrweiler Ehrenwall-Klinik.

In den Folgejahren kam das Bähnchen mit den Haltepunkten Walporzheim Bahnhof, Ehrenwall-Klinik, Ahrweiler Marktplatz, Niedertor, Bahnhof Ahrweiler, Telegrafenstraße und Neuenahr Bahnhof auf jährlich rund 130 000 Fahrgäste. Die Fahrzeit für die 5,3 Kilometer zwischen den Endhaltepunkten betrug eine halbe Stunde, der Fahrpreis 30 Pfennige, heute etwa 1,50 Euro. Täglich wurden 25 Fahrten zwischen 5.50 und 22 Uhr absolviert. Es war ein ausgesprochener Saisonbetrieb über sieben Monate im Jahr, im Winter bestand lediglich ein Schülerverkehr.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die regelmäßigen Fahrten reduziert, bis sie dann ganz eingestellt wurden. Im Jahr 1916 verkehrten sonntags lediglich noch die Kirchwagen für Gottesdienstbesucher und ab November werktags nur noch die Schülerwagen. Die GmbH kam immer mehr in die roten Zahlen. Dabei war es anfangs ein lohnendes Geschäft: Einer durchschnittlichen Einnahme von 35 Pfennig für den Wagenkilometer standen Betriebsausgaben von 28,5 Pfennig gegenüber. Doch nach zehnjährigem Betrieb fehlte es wegen des Krieges vor allem an Nachschub für die Gummibereifung. Die wurde für Militärfahrzeuge verendet. Auch wurde der letzte verbliebene Fahrer zum Militärdienst eingezogen und 150 Meter Kupferkabel der Oberleitung waren schlicht geklaut worden.

Am Kupfer war auch das Berliner Kriegsministerium interessiert. Dieses teilte der GmbH mit, dass „für die Inbetriebsetzung der Bahn vor Kriegsende kein dringendes Bedürfnis vorliegt, zumal der Personenverkehr auf der Staatsbahn stattfindet. Die Metallmobilisierungsstelle kann auf die 5,8 Tonnen Kupfer der Oberleitung nicht verzichten“. Die Oberleitung wurde ab 1917 demontiert.

Was ist heute von der Gleislosen geblieben? Nur ein paar Befestigungshaken für die Oberleitung an einigen Häusern. Diese wurden jedoch nicht als Andenken erhalten, sondern nur, weil das Entfernen das Mauerwerk massiv beschädigen würde.

Alte Ansichtskarten mit dem Bähnchen sind bei Sammlern immer noch gefragt.

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