Die Furcht vor Entdeckung ist groß

Im Großraum Bonn halten sich nach Schätzungen von Fachleuten bis zu 3 000 Menschen illegal auf - Viele kommen aus armen Ländern und tragen von Deutschland aus zum Familienunterhalt bei

  Zu den Ratsuchenden , die zu Hidir Celik von der evangelischen Kirche kommen, gehören auch illegal in Bonn lebende Ausländer.

Zu den Ratsuchenden , die zu Hidir Celik von der evangelischen Kirche kommen, gehören auch illegal in Bonn lebende Ausländer.

Foto: Frommann

Bonn. Ana hat Angst. Selbst in ihrer kleinen Dachgeschosswohnung, wenn es unerwartet klingelt. Die Ecuadorianerin weiß allein von 50 Südamerikanern, die in den letzten Wochen von der Polizei aufgegriffen und sofort in Abschiebehaft gebracht wurden.

"Und sofort heißt tatsächlich sofort: Keine Möglichkeit, Sachen aus der Wohnung mitzunehmen, keine Möglichkeit, Geld aus dem Versteck zu holen", weiß Anas Bekannte, Ricarda (beide Namen geändert), die nicht nur der 30-Jährigen bei ihrem illegalen Aufenthalt immer wieder mit hilfreichen Adressen zur Seite steht.

In ständiger Furcht vor Entdeckung: Hidir Celik von der Evangelischen Migrationsarbeit geht von bis zu 3 000 Menschen im Großraum Bonn aus, die so leben. Männer, Frauen, Kinder ohne Aufenthaltsgenehmigung, Menschen aus Südosteuropa, Fernost, Afrika und Lateinamerika, die zum Teil vor vielen Jahren schon aus zumeist ärmsten Verhältnissen nach Deutschland kamen, in der Regel um hier Geld für ihre Familien zu verdienen.

So wie Ana. Die gelernte Kauffrau kam vor sechs Jahren nach Deutschland, weil sie in Ecuador keine Arbeit fand. Mittlerweile hat sie in Bonn einen festen Stamm von "Arbeitgebern", ihr "Monatsgehalt" beträgt 800 bis 900 Euro, das Siebenfache des Durchschnittslohns in ihrer Heimat.

"Ich arbeite in zwölf Haushalten als Putzhilfe", erzählt sie auf Spanisch, denn Deutsch will sie nicht lernen. "Warum denn auch?" Schließlich möchte sie möglichst bald wieder zurück. "Meine Mama fragt ständig, wann kommst du?"

Doch ihre Eltern und die drei Geschwister profitieren von Anas Deutschlandaufenthalt: Zu Weihnachten kriegt die Familie wieder Geld, 2 000 schwarz verdiente Euro, Geld von Bürgern, die ihre Putzfrau, Küchenhilfe, ihren Gärtner am Finanzamt vorbei zu Niedriglöhnen beschäftigen.

Ana fühlt sich einsam in ihrer kleinen Wohnung, die 250 Euro warm kostet und in der außer Möbeln vom Sperrmüll nichts an Wert steht. Nicht einmal Bilder oder Fotos aus der Heimat hängen an den nackten Wänden. Viele Kontakte zu haben, das sei gefährlich, sagt Ana.

Auf Partys, im Geschäft, an Bushaltestellen - überall kann die Polizei nach dem Ausweis fragen. Zwei, drei Freunde hat sie, Landsleute. Doch selbst die können gefährlich werden, weiß Ricarda: "Es kommt oft vor, dass gerade die eigenen Leute einen verraten." Aus Eifersucht zum Beispiel auf den ausgespannten Freund, und aus Rache gibt man der Polizei einen anonymen Hinweis.

Celik und Ricarda kennen Menschen, die seit 20 Jahren illegal in Bonn leben, darunter ehemalige Botschaftsangehörige. Andere kamen als Studenten, "viele mit Touristenvisum, die dann nach Ablauf geblieben sind", sagt Celik. Nicht selten haben sie Kinder, die zur Schule gehen: "Es gibt Schulleiter, die illegal hier lebende Kinder nicht melden."

Gefährlich wird''s für Illegale, wenn sie krank werden. "Menschen ohne Papiere haben keinen Versicherungsschutz", sagt ein Teilnehmer von Migranet, einem Netzwerk von Privatpersonen und Einrichtungen, die auch Menschen ohne Papiere helfen. Ricarda kennt einen Arzt und eine Klinik, die Illegale behandeln. "Die Rechnung müssen sie dann später oft selbst zahlen", sagt die 49-Jährige. "Der Aufenthalt kann sich so um Jahre verlängern."

Migranet will das Thema Illegalität ins Bewusstsein der Bonner bringen. Der Kommunalpolitik sind die Hände gebunden. Eine Gesetzesänderung, um die Grundrechte Illegaler besser zu schützen, kann nur auf Bundesebene erfolgen.

Siehe auch im Internet unter www.migranet-bonn.de

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