Die große Trockenheit

BONN · So niedrig wie in diesen Tagen war der Wasserstand im Rhein schon lange nicht mehr. Das hat Folgen - vor allem für die Schifffahrt, aber auch für Land- und Forstwirtschaft. Im Folgenden einige Fragen und Antworten.

 Immer weiter zieht sich der Rhein in sein Bett zurück: Blick auf die Kennedy-Brücke von der Beueler Rheinseite aus.

Immer weiter zieht sich der Rhein in sein Bett zurück: Blick auf die Kennedy-Brücke von der Beueler Rheinseite aus.

Foto: Volker Lannert

Seit wann hat es nicht mehr geregnet?

Im südlichen Rheinland und in der Eifel gab es den letzten nennenswerten Niederschlag am 3. November. Insgesamt waren der Oktober und der November sehr viel trockener als im Durchschnitt. Jürgen Schmidt, Diplom-Meteorologe bei der Firma "Wetterkontor", die den General-Anzeiger mit Wetterdaten beliefert, hat die genauen Daten ermittelt: So fielen am Flughafen Köln/Bonn bisher in beiden Monaten 43 Liter pro Quadratmeter - im langjährigen Mittel der vergangenen 30 Jahre waren es 12 Liter. In Bonn gab es 40 Liter (normalerweise sind es 103). Und an der Station Nürburg fielen nur 24 Liter - lediglich ein Sechstel der normalen Regenmenge (144 Liter).

Wie sieht die Prognose aus?

Niedrigwasser im Rhein
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Niedrigwasser im Rhein

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"Es wird wechselhafter", sagt Meteorologe Schmidt. Die seit vielen Wochen und damit ungewöhnlich lange andauernde Hochdrucklage wird schwächer und Fronten versuchen, dagegen durchzukommen. Die erste schwache Front am Mittwoch hat noch keinen Niederschlag gebracht. Die zweite in der Nacht zu Samstag wird laut Schmidt vermutlich auch noch keinen Regen bringen. Wenigstens ein bisschen Niederschlag - Schmidt rechnet mir einem Liter pro Quadratmeter - könnte am Sonntag fallen. Die nächsten Fronten würden dann so im Abstand von 48 Stunden das Rheinland erreichen. Wie viel Niederschlag sie mitbringen, könne er aber auch noch nicht sagen. Klar sei aber, dass kein Schnee dabei sein werde. "Der November geht mild zu Ende", sagt Schmidt.

Und wann könnte es schneien?

Womöglich könnte am ersten Dezember-Wochenende ein Tief durchbrechen, das auch Schnee mitbringt, zumindest in den Höhenlagen. Denn bei Grönland habe sich "viel kalte Luft angesammelt", erklärt Schmidt. Ob daraus aber eine "richtige Nord-West-Wetterlage" wird, die den Alpen den ersehnten Schnee bringt, sei derzeit noch nicht absehbar.

Was ist mit der Skisaison?

In den mittleren Höhenlagen gibt es derzeit überhaupt keinen Schnee. Nur auf der Zugspitze liegen bereits 20 Zentimeter Schnee. In manchen Skiregionen verzögert sich der Saisonstart bereits. In Kühtai, dem höchstgelegenen Wintersportort Österreichs, hat man den Saisonstart bereits vom 26. November auf den 2. Dezember verschoben.

Wie ist der Pegel des Rheins?

Seit vielen Wochen kennen die Wasserstände nur noch eine Richtung: nach unten. Gestern lagen der Kölner Pegel bei 1,02 Meter, der Bonner bei 1,10 Meter (13 Uhr). Bis zum absolut niedrigsten Wert von 89 Zentimetern in Bonn im Sommer 2003 ist es also nicht mehr weit. Für November sind es die niedrigsten Werte seit 1947. Damals aber lag das nach Aussage von Martin Blanck von der Bonner Wasserschutzpolizei daran, dass noch viele Kriegshinterlassenschaften die Strömung aufgehalten hatten.

Hat die Wasserschutzpolizei mehr Arbeit?

Eigentlich nicht, sagt Volker Ruberg von der Kölner Wasserschutzpolizei. Ein Problem sind allerdings die im Rhein freigespülten Kampfmittel. Erst am Mittwoch entdeckten Spaziergänger zum Beispiel am Beueler Rheinufer in Höhe der Ringstraße eine Granate, die der Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung abtransportierte und unschädlich machte, berichtet sein Bonner Kollege Blanck. In Koblenz wird am Sonntag nächster Woche eine Luftmine entschärft. Dazu müssen 45 000 Einwohner, fast die Hälfte der Bevölkerung, ihre Wohnungen verlassen.

Wie sieht es mit dem Fährbetrieb aus?

Die Rheinfähre zwischen Wesseling und Niederkassel hat den Betrieb bereits eingestellt. Andere Fähren, etwa die zwischen Godesberg und Niederdollendorf, nehmen derzeit nur Fahrzeuge mit, deren Gesamtgewicht unter 3,5 Tonnen liegt.

Welche Einschränkungen gibt es für die Schifffahrt aufgrund des niedrigen Wasserstandes auf dem Rhein?

Die Binnenschiffe sind in der Regel nur noch zu einem Drittel ausgelastet, sagt Dirk Gemmer, Geschäftsführer von Rhenus Partnership in Duisburg, einem der führenden Schifffahrtsunternehmen in Deutschland. Rund 300 Transporte führt die Firma pro Tag durch, viele davon auf dem Rhein. Doch statt mit 5 000 Tonnen Fracht können die Schiffe derzeit nur mit 1 300 bis 1 500 Tonnen fahren. Thomas Butscheidt von der Firma Am Zehnhoff-Söns, die den Bonner Hafen betreibt, spricht sogar davon, dass die Schiffe nur noch 600 bis 700 Tonnen Last transportieren können.

Was hat das für Auswirkungen?

Weil sich die Betriebskosten etwa für Treibstoff und Personal nicht verändern, die Erlöse aber aufgrund der geringeren Fracht niedriger sind, verlangen die Binnenschiffer einen sogenannten Kleinwasserzuschlag. Das heißt: Die Kunden wie Energieversorger, die Stahl- oder die Baustoffindustrie müssen für die Transporte mehr zahlen. Die Rechnung von Rhenus-Geschäftsführer Gemmer: Der Erlös für die Binnenschiffer beträgt nur noch ein Drittel. Durch den Zuschlag verdoppelt sich dieser. "Bis zu 100 Prozent bleibt dann aber immer noch eine große Differenz", erklärt er. Die wiederum versuchen die Unternehmen durch "optimierte Umläufe" aufzufangen. Zum Beispiel durch schnelleres Auf- und Abladen.

Warum ist es auf dem Rhein derzeit gefühlt voller als sonst?

Zum einen ist die Fahrrinne schmaler, zum zweiten verbringen die Schiffe weniger Zeit in den Häfen und zum dritten ziehen manche Unternehmen auch Schiffe von anderen Routen ab, um Transporte auf dem Rhein zu übernehmen und so die geringere Transportkapazität in den einzelnen Schiffen auszugleichen.

Wann ist wieder mit einem normalen Schiffsverkehr zu rechnen?

Wenn der Referenzpegel in Kaub wieder zwischen zwei Meter und 2,20 Meter liegt. Gestern Morgen lag er bei 55 Zentimetern, das entspricht einer Fahrtiefe von etwa 1,65 Meter. Die Fahrt auf der Mittelrheinstrecke, "durchs Gebirge", wie der Binnenschiffer sagt, ist die gefährlichste. Erst wenn sich dort wieder genug Wasser unter dem Kiel befindet, kann die volle Transportkapazität ausgenutzt werden. "Daher hoffen wir jetzt auf Regen", so Rhenus-Geschäftsführer Gemmer.

Wie sieht es bei den Talsperren aus?

"Die Wasserversorgung ist gesichert", sagt Norbert Eckschlag, Geschäftsführer des Wahnbachtalsperrenverbandes. Der Füllungsgrad betrage derzeit 66 Prozent, in absoluten Zahlen 27 Millionen Kubikmeter Wasser. Weil jährlich etwa 28 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht würden, bestehe ein Vorrat für ein knappes Jahr. Gleichwohl merkt Eckschlag an: "Wir sind ziemlich weit unten." Genauer gesagt: auf 116,43 Metern über dem Meeresspiegel. "Drei Meter höher wären für diese Jahreszeit normal."

Wann ist die Wahnbachtalsperre voll?

Wenn sich der Wasserstand auf 124 Metern über dem Meeresspiegel befindet. Im April war dieser Zustand fast erreicht, doch aufgrund der niederschlagsarmen Monate April und Mai sowie Oktober und November ging der Wasserstand stark zurück. Noch weit entfernt ist die Wahnbachtalsperre allerdings vom Sommer 2008. Als damals die Staumauer saniert wurde, betrug der Füllungsgrad nur noch 30 Prozent. Seinerzeit konnten Spaziergänger trockenen Fußes über eine geflutete Brücke spazieren. Das wird laut Eckschlag diesmal jedenfalls nicht passieren.

Was ist mit den anderen Talsperren in der Region?

Dort ist die Lage ähnlich. Nach Auskunft von Lothar Schmachtenberg, Fachbereichsleiter der Gewässerunterhaltung beim Aggerverband, sind die Wiehltalsperre (Fassungsvermögen von 31 Millionen Kubikmetern) und die Genkeltalsperre (neun Millionen) zwar nur zu etwa 50 Prozent gefüllt, doch reiche das Wasser problemlos, um die Versorgung der Bevölkerung noch ein Jahr sicherzustellen. Das gleiche gilt für den Rursee: Auch dort reichen die Wasservorräte noch für das ganze nächste Jahr.

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