"Die Hochzeit von Boulette und Frikadelle"

Berlin/Bonn · Kein klassisches Jubiläum, aber die Ex-Bonner Polit-Wirte Friedel Drautzburg und Harald Grunert feiern trotzdem: Fünf Jahre "Ständige Vertretung" mit 1300 Gästen im Berliner Tränenpalast

Früher wurde im Tränenpalast geweint. Daher der Name. Das Gebäude liegt am Reichstagsufer, unmittelbar am Bahnhof Friedrichstraße. Geweint wurde, weil es dort zu DDR-Zeiten um den oft letzten Abschied zwischen Ossis und Wessis ging. Die Zeiten sind seeligerweise vorbei. Am Donnerstag wurde bis in die tiefe Nacht im Tränenpalast nicht geweint, sondern gelacht, gefeiert, gegessen und getrunken. Eine Riesen-Fete mit karnevalistischen Anflügen an der Spree, die fast in den Rhein gemündet wäre.

Vom Vater Rhein kamen nämlich am 12. September 1997 die zwei Väter einer in Berlin mittlerweile zur Kult-Kneipe gewordenen gastronomischen Einrichtung namens "Ständige Vertretung" (StäV). Ergo wurde sie am Donnerstag fünf Jahre alt, nicht gerade das klassische Jubiläumsdatum, aber für die beiden Ex-Bonner Polit-Wirte Friedel Drautzburg und Harald Grunert ein rheinisch-preußischer Anlass für eine auch für bundeshauptstädtische Verhältnisse riesige Party.

Mehr als 1 300 Gäste - allesamt Flut-Spender beim Eingang -, jede Menge Promis, von Norbert Blüm ("Die StäV ist die Hochzeit von Boulette und Frikadelle") über Bärbel Dieckmann bis Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister unterbrach eigens eine Senatssitzung, anfangs gegen den Protest seiner Koalitionsfreunde. Unterbrechung wegen rheinischen Frohsinns? Von wegen. Wowereit machte auf seine Rolle als Bundesratspräsident aufmerksam und die Anwesenheit seiner Kollegin Dieckmann. Dann durfte er.

Zwei OBs im Talk plus Fernsehmensch Thomas Koschwitz und Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye. Franz Xaver Ohnesorg, Intendant der Berliner Philharmoniker, meditierte launisch über die rheinische Mentalität am Beispiel der Kölner Musikgruppen und Kabarettisten. In der heiß begehrten Einladung zur StäV-Fete war folgerichtig "eine nicht unbekannte Kölner Musikband" angekündigt. Da zwischenzeitlich und nicht zuletzt dank Drautzburg und Grunert auch die Berliner über gewisse Grundkenntnisse des rheinischen Brauchtums verfügen, war klar, wer gemeint war: De Bläck Fööss.

Und weil es in Köln noch mindestens eine zweite, nicht minder bekannte Kölsch-Band gibt (Verzeihung, Paveier!), wurden die "Höhner" per musikalischem Gruß-Video in den zu diesem Zeitpunkt längst feucht-fröhlichen Tränenpalast zugeschaltet. Auch das eine kleine Sensation. Sensationell zumindest für das völlig überraschte Wirte-Duo war die Glosse aus der Feder von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der StäV-Sonderzeitung des General-Anzeigers, auch ein kleines GA-Dankeschön für die einstige gastronomische Aufpeppung Bonns durch Friedel und Harald. Vorbei sind übrigens die heißen Zeiten, in denen der einstige "Ja zu Bonn"-Mitbegründer Drautzburg zum bösen Rheinland-Flüchtling niedergemacht wurde.

Auf der Kanzler-Seite erinnert sich auch der einstige "Monitor"-Mann und heutige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert an alte Kneipenzeiten mit Drautzbug in Bonns "Elsässer Weinstuben" in der Breitestraße. Musik-Box-Hit war damals "Badiera rossa triumphera". Etwas rot war man halt, wenn auch mit viel Kölsch. Außerdem war Friedel damals mit Günter Grass Willy-Brandt-Trommler.

Die StäV hat Berlin längst kölschfest gemacht. Überhaupt der Name: "Ständige Vertretung", dereinst die Bonner Quasi-Botschaft in der DDR an der nahen Ostberliner Hannoverschen Straße. Ein genialer Namenseinfall. "StäV" war die bürokratisch übliche Abkürzung der Vertretung.

Die Deutsche Welle berichtete live. Intendant Erik Bettermann, demnächst Neu-Bonner im Schürmann-Bau, war natürlich auch da. Karin Clement, Ministerpräsidenten-Gattin, gratulierte den Wirten per Fax, kündigte Wolfgangs wahrscheinlich nächtlichen Besuch an.

Spätestens seit Donnerstag ist Bonn endgültig in Berlin angekommen. Zumindest in der Ständigen Vertretung.