Die Mauer selbst macht sich bislang rar

Auf Wällen in Rheinbach forscht Jürgen Wentscher gemeinsam mit Jugendlichen nach Resten der alten Stadtumrandung - 13,5 Meter langes Teilstück bislang neu aufgemauert

Die Mauer selbst macht sich bislang rar
Foto: Henry

Rheinbach. Baustellen sind kommunikativ. Menschen bleiben stehen, beobachten und stellen Fragen. Erst recht, wenn nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, was genau da entsteht. Wie an der "Baustelle" auf den Rheinbacher Wällen. Dort wurden Gärten gerodet und umgegraben auf der Suche nach Resten der früheren Stadtmauer.

"Wir beantworten täglich viele Fragen, von Rentnern ebenso wie von Müttern mit ihren Kindern", sagte Jürgen Wentscher. Der seit 1998 pensionierte Grabungstechniker ist ehrenamtlich engagiert im Betreuerteam des Projekts "Neue Pfade für Jugendliche" des Georgsrings, ohne das diese Arbeiten nicht möglich wären. Immerhin 450 "Mann-Tage" à sechs Stunden wurden bereits geleistet, so Werner Gerhards vom Georgsring.

Jetzt berichtete der archäologische Profi Wentscher, der bereits Grabungen und Dokumentationen an der Waldkapelle und um die Rheinbacher Burg gemacht hat, in der gemeinsamen Sitzung des "Arbeitskreises Stadtmarketing" und des Ratsausschusses für Gewerbe, Wirtschaftsförderung und Tourismus über das Projekt.

"Zur Stadtgeschichte Rheinbachs gehört die Stadtmauer. Wenn wir fertig sind, haben wir hier ein gutes Beispiel für damalige Stadtbefestigungen", sagte Wentscher. Gestartet wurde nach Genehmigung durch das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege mit Grabungssuchschnitten quer zum vermuteten Verlauf der Stadtmauer, die auf einer Länge von 95 Metern ausgegraben und durch streckenweise Fundamentierung und Aufmauerung wieder sichtbar gemacht werden soll.

Bislang untersucht wurde eine etwa 50 Meter lange Teilstrecke in den Gärten auf der Rückseite der Polligstraße, die an die Wälle grenzen. "Bislang haben wir die Mauer selbst nicht gefunden", so Wentscher. "Wir kennen die ehemalige Höhe der Befestigung nicht, konnten nur feststellen, dass sie aus Stein und Lehm gebaut war." Im 19. Jahrhundert ist die Mauer wohl vollständig abgetragen worden, ebenso wie ein Teil der mittelalterlichen Wallanschüttung.

Was jedoch ab einer Tiefe von etwa 40 Zentimetern zum Vorschein kam, waren Ausbruchgraben und Punktfundamente in Abständen von jeweils fünf Metern. "Daran ist erkennbar, dass der Mauer auf jeden Fall eine genaue Planung vorausgegangen ist", so Wentscher. Ein interessantes Fundstück in der Grube eines verfüllten Punktfundamentes waren Bruchstücke eines Einhenkeltopfes. Dabei handele es sich um Bauernkeramik, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert gebräuchlich war. Schlussfolgerung: Die Scherben waren wohl erst nach dem Abbruch der Mauer in die Grubenverfüllung geraten.

"Sehr interessant" für die Experten auch der Fund einer Eisenkiesschüttung bis etwa 80 Zentimeter unter der heutigen Oberfläche, wie sie schon bei anderer Gelegenheit im südlichen Stadtbereich festgestellt worden war. Eine geologische Untersuchung ergab, dass es sich dabei um eiszeitlichen Hangschotter handelt. Darüber liegt eine graue Schicht, die der nacheiszeitlichen Tundrazeit zuzuordnen ist.

Diese Schicht ist im oberen Bereich mit Tierknochen, Holzkohle, gebranntem Lehm und Keramik-Bruchstücken etwa von Kochlöffeln oder Vorratsgefäßen durchsetzt. "Diese handgefertigte so genannte Pingsdorfer Keramik war bis zum elften Jahrhundert gebräuchlich", erklärte Wentscher. Die Schlussfolgerung: Hier haben Häuser gestanden, vermutlich bis ins 13. Jahrhundert. In dieser Zeit wurde aus Sicherheitsgründen im Bereich der heutigen Parkplätze auf den Wällen eine etwa 50 Meter breite Schutzzone ausgebaut.

Dazu wurden zwei Gräben ausgehoben, und der Aushub wurde für eine Wallanschüttung genutzt, die auf eine Höhe von ein bis zwei Metern über dem heutigen Niveau geschätzt wird. Vermutlich wurde auf dem Wall zunächst wie damals üblich eine Palisade errichtet, schreibt Wentscher in einem Aufsatz im Amtsblatt. Erst später wurde die Stadtmauer gebaut, die im Urkataster 1820 noch eingemessen wurde.

Ein etwa 13,5 Meter langes Mauerstück in der Grünfläche am Himmeroder Hof wurde bereits fundamentiert und mit gespendeten Bruchsteinen aufgemauert und sichtbar gemacht. "Wir hoffen, dass wir bis zum Windmühlenturm kommen", freute Wentscher sich auf weitere Untersuchungen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort