"Die Menschen müssen wachsamer werden"

ARD-Wetterexperte Sven Plöger spricht auf der Kanzel in der Bonner Kreuzkirche zum Thema "Flut"

"Mit 95-prozentiger  Sicherheit nimmt der Mensch Einfluss auf das Klima", sagt Sven Plöger auf der Kanzel der Kreuzkirche.

"Mit 95-prozentiger Sicherheit nimmt der Mensch Einfluss auf das Klima", sagt Sven Plöger auf der Kanzel der Kreuzkirche.

Foto: Frommann

Bonn. Normalerweise kennt man ihn von der Wettervorhersage am Ende der ARD-Tagesthemen oder der Aktuellen Stunde beim WDR. Fernsehstudio und Wetterkarte tauschte Sven Plöger am Sonntagabend gegen die Kanzel der Kreuzkirche in der Reihe des Evangelischen Forums "Kanzelreden in der Kreuzkirche".

"Endlich habe ich mal eine längere Redezeit als zwei Minuten und 19 Sekunden", freute sich der Diplom-Metereologe. Für seine Kanzelrede hatte er sich für das Thema "Flut" entschieden und beleuchtete zunächst die "Sintflut" unter mythologischen und wissenschaftlichen Aspekten. Als Naturwissenschaftler stelle er sich die Frage, was damals wirklich passiert ist. Aus der Zeit zwischen 10 000 und 3 000 vor Christi seien 600 Flutlegenden aus verschiedenen Kulturkreisen überliefert.

Feststehe, dass sich in dieser Zeit das Klima auf der Welt dramatisch verändert habe. Der Übergang von der Eiszeit zur Warmzeit habe das Eis schmelzen und die Meeresspiegel steigen lassen. "Durch die Erwärmung des Wassers dehnten sich die Ozeane aus und brauchten mehr Platz", erklärte der Meteorologe. Zudem konnte die wärmere Luft wesentlich mehr Wasserdampf aufnehmen. Was mehr Niederschläge zur Folge hatte.

Eine gängige Fluttheorie besage, dass das Mittelmeer um 7 000 vor Christi dramatisch anstieg, den Bosporus brach und bis ins Schwarze Meer, damals noch ein Süßgewässer, strömte. Aber auch der Einschlag eines Meteoriten oder die Explosion des Vulkans auf der griechischen Insel Santorini um 1 645 vor Christi könnten für die biblische Sintflutgeschichte verantwortlich gewesen sein.

Für die plausibelste Theorie hält Plöger aber die, dass es nicht "die" Sintflut gab, sondern zu jener Zeit einfach verschiedene Fluten auf der Erde stattgefunden haben müssen. Von der Vergangenheit führte der Vortrag in die Jetztzeit. Plöger erzählte, wie ihn das Seebeben vor Sumatra am 26. Dezember 2004 bewegt habe: "Keiner hatte mit so etwas gerechnet, aber wir können ein solches Ereignis nie ausschließen. Wir müssen wachsamer werden."

Wenn sich der Ozean plötzlich für 15 Minuten kilometerweise vom Strand zurückziehe, sei das nicht normal. Bei den Menschen müssten in einem solchen Moment eigentlich sämtliche Alarmglocken läuten. Ein Tsunami entstehe durch das Abrutschen des Ozeans in das Loch, welches durch das Erdbeben entsteht. Dort knallen die Wassermassen zusammen und gehen anschließend mit einer unvorstellbaren Wucht auseinander. Mit 800 Kilometern in der Stunde kann die Welle auf die Küste zurasen.

Während der Mensch auf solche Naturereignisse keinen Einfluss hat, sähe das mit dem Klima schon anders aus. "Wir sind hier Täter und Opfer zugleich. Mit 95-prozentiger Sicherheit nimmt der Mensch Einfluss auf das Klima", sagte Plöger. Die globale Mitteltemperatur liege derzeit bei 15 Grad. Ohne das CO2 in der Luft wäre es mit minus 18 Grad deutlich kühler. In den vergangenen 100 Jahren sei die Temperatur um 0,6 Grad gestiegen. Auf den ersten Blick nicht viel? Doch, wenn man weiß, dass die Erwärmung seit der Eiszeit nur vier bis fünf Grad betrug. In den nächsten 100 Jahren wird die Temperatur nochmal um zwei bis drei Grad steigen, vermuten Wissenschaftler.

Dies bedeute aber nicht, dass es in unserer Region automatisch wärmer werden muss. Im Gegenteil: In Mitteleuropa hänge das Klima mit dem Golfstrom zusammen. Wenn sich dieser aufgrund der globalen Erwärmung abschwäche, könne es hier sogar kälter werden, so Plöger, der in Sankt Augustin aufgewachsen ist. "Das Problem ist, dass aufgrund der langen Zeitskala beim Klima den Menschen ein konkreter Bezug fehlt, um darauf richtig zu reagieren."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort