Direktor entdeckt im Schultresor Briefe von Clara Schumann

Das Bonner Stadtarchiv forscht jetzt nach der Herkunft - Schlossmacher tippt auf Kunstauktion in den 50er Jahren

  Nicht die schönste Handschrift  hatte die Pianistin Clara Schumann, von der jetzt zwei Original-Briefe auftauchten.

Nicht die schönste Handschrift hatte die Pianistin Clara Schumann, von der jetzt zwei Original-Briefe auftauchten.

Foto: Frommann

Bonn. Glücklicherweise ist Willi Nikolay ein ordentlicher Mensch. Beim Aufräumen fand der Leiter des Clara-Schumann-Gymnasiums zwei Briefe, die ohne jeden Zweifel aus der Feder von Clara Schumann stammen. Vermutlich seit vielen Jahrzehnten lagerten die in Sütterlin-Schrift verfassten Briefe der Musikerin im hintersten Winkel des Tresors des Gymnasiums in der Südstadt.

Seit vier Jahren ist Nikolay dort Direktor, und endlich hatte er Zeit gefunden, den Tresor zu durchforsten. Nikolays erste Vermutung war, die Schule habe diese Briefe irgendwann zu einem besonderen Anlass vom Stadtarchiv zur Verfügung gestellt bekommen. Dann seien sie wohl im Tresor in Vergessenheit geraten und nie wieder zurückgegeben worden.

"Diese Briefe stammen nicht aus unserem Bestand", versicherte dagegen Norbert Schlossmacher am Dienstag auf GA-Nachfrage. Kurz zuvor hatte der Leiter des Stadtarchivs die Fundstücke von Nikolay persönlich überreicht bekommen. Schlossmacher tippt eher auf eine Kunstaktion aus den 50er Jahren, auf der diese Briefe versteigert wurden. Eventuell habe sie anschließend eine ehemalige Schülerin des Clara-Schumann-Gymnasiums oder der Vorgängerin, das staatliche Lyzeum, der Schule vermacht.

"Darauf lassen die Zettel schließen, die auf den Pergamin-Tüten kleben, in denen die Briefe stecken", erklärt Schlossmacher. Auf diesen Zetteln sind Nummern vermerkt, wie es auf den Auktionen damals üblich war. "Wir werden intensiv nach der Herkunft der Briefe forschen", verspricht Schlossmacher. Sollte der rechtmäßige Besitzer nicht mehr zu ermitteln sein, verbleiben die Briefe im Stadtarchiv.

Auch im weltweit wichtigsten Robert-Schumann-Museum in Zwickau weiß man auf Anhieb nichts über diese beiden Briefe der 1819 in Leipzig geborenen Frau des Komponisten. "Wir haben hier mehr als 10 000 Original-Handschriften von Robert und Clara Schumann archiviert, darunter allein 2 500 Briefe von Clara", sagt Museumsleiter Gerd Nauhaus. Und die international berühmte Pianistin war eine fleißige Briefeschreiberin, oftmals habe sie auch nur kurze Notizen verschickt.

Inzwischen hat Schlossmachers Mitarbeiter Dieter Körschner die Briefe kurz überflogen und den Inhalt für den GA zusammengefasst. Kein leichtes Unterfangen, hatte Clara Schumann "als Künstlerin halt nicht eine der schönsten Handschriften", meint Körschner. Einer der beiden Briefe stammt vom 27. Juli 1892 und ist an Professor Julius von Bernuth adressiert. Von Bernuth leitete damals unter anderem die Philharmonischen Konzerte in Hamburg und sollte sich um einen jungen Schüler Clara Schumanns aus England kümmern.

In dem anderen Brief - datiert vom 4. November 1887 - entschuldigt Clara Schumann sich bei einem "verehrten Herrn". Sie könne an der Probe nicht teilnehmen, weil sie zu erschöpft sei, schreibt sie. Experten, so ist Körschner überzeugt, finden sicherlich schnell auch diesen Adressaten heraus. Schlossmacher hofft zudem auf GA-Leser, die etwas über die Herkunft der Briefe sagen können. Zu erreichen ist er unter der Rufnummer (02 28) 77 25 30.

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