GA-Serie „Rheinische Redensarten“ Do bes ävver en Kranköllich

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir bedeutungstiefe Redewendungen. Dieses Mal: Do bes ävver en Kranköllich.

 Do bes ävver en Kranköllich.

Do bes ävver en Kranköllich.

Foto: GA Grafik

Die Dialektik – hier ist die philosophische Methodik und nicht etwa die Mundart gemeint – ist in der Lage, die Menschheit in mehrerlei Hinsicht in Begriffspaare zu differenzieren. Die Auswahl ist schier unerschöpflich: Männer und Frauen, Kluge und Dumme, Große und Kleine, Dicke und Dünne, Helle und Dunkle, Schnelle und Langsame. Auf das Metier der Medizin bezogen, gibt es da den Befund, dass unsere Mitmenschen unterschiedlich robust sind. Die einen kommen mit Infektionen gut klar, ihre Abwehrkräfte sind so stark, dass sie vielleicht einmal ein bisschen Schnupfen bekommen, während andere jedes Virus und Bazillum mitnehmen, auffiebern und sich ins Bett legen müssen.

Und genau letzterer Typus Mensch ist gemeint, wenn die rheinische Redewendung ins Spiel kommt: „Do bes ävver en Kranköllich.“ Für die Nichtsachverständigen ist der Begriff Kranköllich erklärungspflichtig. Ganz grob bedeutet „Öllich“ im Rheinland so viel wie Zwiebel. Es gibt auch Gebiete, wo der Ausdruck explizit für eine Gemüsezwiebel steht. Aber wie dem auch sei: Die Herkunft des Begriffes ist einigermaßen gut erforscht. Der Vater der Kölner Dialektforschung, Adam Wrede, erkannte darin eine Mischform aus den beiden lateinischen Begriffen Allium und Unio, beides Bezeichnungen für Zwiebelgewächse. So lautet die Übersetzung ins Hochdeutsche: Du bist aber eine kranke Zwiebel. Dieser Ausdruck höchsten Mitleids und Anteilnahme richtet sich meist an ein Kind, das mit traurigem Blick und laufender Nase unter der dicken Bettdecke hervorlugt. Erst recht passend ist es für Kinder, die eigentlich ständig krank sind. Man kennt das. Das Problem fängt meist im Kindergarten an. Dann haben die Kleinen noch keine trainierten Abwehrkräfte, und sie bringen fast wöchentlich eine neu Infektion mit nach Hause. Da kann es einmal die Runde machen, bis alle Familienmitglieder einmal krank waren. Aber noch passender ist der Ausdruck für Menschen, die ständig krank sind (siehe oben).

Die Medizin ist sich noch nicht ganz einig, warum es menschliche Exemplare gibt, die merklich anfälliger sind als andere. Es könnte ein Ergebnis des Lebenswandels sein, sprich: ungesundes Essen und wenig Bewegung. Oder es hat mit Psychosomatik zu tun. Und schließlich könnten es auch die Gene sein. Fazit: Nix Genaues weiß man nicht. Bleibt also nichts als Mitleid.

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