"Du hast keinen Respekt - vor nichts und niemandem"

Der 16-jährige Brandstifter erhält 20 Monate Jugendstrafe auf Bewährung - Der Richter spricht von Schuss vor den Bug

  Völlig zerstört:  Die abgebrannte Meckenheimer Turnhalle im November.

Völlig zerstört: Die abgebrannte Meckenheimer Turnhalle im November.

Foto: Volker Lannert

Meckenheim/Euskirchen. Er sitzt auf der Anklagebank wie ein braver Junge - ganz adrett in weißem Hemd und schwarzer Weste. Der Schein trügt.

Was der 16-Jährige seit Beginn seiner Strafmündigkeit in nur 14 Monaten anstellte, hat ihm einen Platz auf der Liste der Intensivtäter eingebracht: Raub, Diebstahl, Körperverletzung, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Beleidigung und als trauriger Höhepunkt am 1. November 2008 die Brandstiftung der Meckenheimer Sporthalle. Schaden: zwei Millionen Euro. Der 16-Jährige war bereits als Strafunmündiger polizeibekannt.

Nun sitzt er vor dem Euskirchener Jugendschöffengericht, die Öffentlichkeit ist wegen des Jugendschutzes ausgeschlossen. Doch in diesem besonderen Fall, der in Meckenheim so hohe Wellen schlug, hat Richter Fabian Krapoth die Presse ausdrücklich zugelassen. Die sitzt nun im Saal - wie der Vater des 16-Jährigen.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Viel zu spät"Und der hört sehr aufmerksam zu. Staatsanwalt Werner Richter braucht eine halbe Stunde, um alle sieben Anklagen mit den vielen Straftaten, die sich gegen den 16-Jährigen angesammelt haben, vorzutragen: Er hat einen Busfahrer und andere Leute bestohlen, einen Rollerfahrer vom Roller gerissen, völlig grundlos zwei jüngere Schüler zusammengeschlagen, einem Schüler das Handy weggenommen, einen Jugendbetreuer geschlagen, sinnlos Sachen beschädigt.

Und dann am 1. November 2008 zusammen mit einer als Gang bekannten Gruppe den Brand in der Turnhalle verursacht. Er und seine Clique, darunter auch zwei Cousins, waren der Schrecken der Stadt. Ganz frisch ist eine achte Anklage dazu gekommen: Der 16-Jährige soll zwei Wochen nach dem Brand einen Busfahrer beleidigt haben. Und einem Fax der Polizei zufolge vor wenigen Tagen auch den Leiter des Jugendzentrums.

Fotos Bilder vom Brand der SporthalleWas sagt der 16-Jährige dazu? Grundsätzlich, so sein Verteidiger Thomas Ohm, gebe sein Mandant die Taten zu. Doch als der Jugendliche dann selbst zu den einzelnen Vorwürfen Stellung nimmt, relativiert und beschönigt er. Drei Diebstähle bestreitet er rundweg. Die grundlose Körperverletzung gibt er nach Ermahnung durch den Richter zwar zu.

Doch bei der Brandstiftung der Halle bestreitet er die Rolle des Haupttäters, die seine Kumpel ihm zuweisen. Er habe zwar, wie alle, mit Spraydose und Feuerzeug als Flammenwerfer herumgespielt, aber die Sportmatte nicht absichtlich in Brand gesetzt und auch niemanden vom Löschen abgehalten. Rechtlich komme es darauf jedoch nicht an, da der 16-Jährige auf jeden Fall an der Brandstiftung beteiligt war, so der Richter.

Info Lesen Sie dazu auch " Der Gesetzgeber setzt zunächst auf den pädagogischen Effekt"Warum er so schnell aggressiv werde, so rücksichtslos gegen andere Menschen und Sachen vorgehe, will Richter Krapoth wissen. Aus Frust, aus Wut, aus Spaß, ist die Antwort. Dem Jugendzentrum-Mitarbeiter habe er eine verpasst, weil der ihn angelächelt habe. Und den Busfahrer habe er am 13. November 2008 beleidigt, weil er sauer gewesen sei: Der Rektor habe ihn zuvor in der Schule eingesperrt, damit er sich nicht an der Demo gegen Gewalt in Meckenheim beteilige. Der Richter fragt sicherheitshalber nach: Ging es da nicht gerade um die Gewalt durch ihn und seine Kumpel? Der Angeklagte nickt und grinst.

Der Jugendgerichtshelfer versucht eine Erklärung: Der 16-Jährige wolle einerseits als jüngster Sohn die Anerkennung seines dominanten und streng gläubigen muslimischen Vaters, der sich hier eine angesehene Existenz aufgebaut habe, andererseits den Respekt seiner Clique.

So habe er zu Hause gekuscht und draußen keine Regeln akzeptiert. Es sei ein Fall wie aus dem Lehrbuch, "ein Leben zwischen zwei Welten". Seit Mai akzeptiere der Vater endlich Hilfe des Jugendamtes. Der Jugendgerichtshelfer bejaht schädliche Neigungen und die Schwere der Schuld und plädiert für Jugendstrafe auf Bewährung.

Die bekommt der 16-Jährige dann auch: 20 Monate Haft auf Bewährung verhängt das Gericht, auferlegt ihm 150 Sozialstunden und einen sozialen Trainingskursus und stellt ihn unter Aufsicht eines Bewährungshelfers. Seine DNA wird registriert. Und Richter Krapoth hält ihm vor: "Du hast keinen Respekt vor nichts und niemandem, und von Reue hat man hier nichts bemerkt. Du hast bisher nie einen Schuss vor den Bug bekommen, den brauchst du jetzt." Dann warnt er ihn: "Wenn du so weitermachst, endet es übel für dich, dann landest du hinter Gittern." Der Vater nimmt das Urteil an: "Es ist Recht, das habe ich jetzt akzeptiert."

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