"Eigentlich fehlt nur ein Balkon"

Haus-Besuch: Verena und Mathias Bonn leben seit drei Jahren in der alten Alfterer Lehrerwohnung.

"Eigentlich fehlt nur ein Balkon"
Foto: Wolfgang Henry

Alfter. Die Dachgeschosswohnung hat hohen Unterhaltungswert. Das Schlafzimmer liegt direkt über der Festwiese am Herrenwingert und bietet einen Logenblick auf Maifeiern und Martinsfeuer. Durchs Esszimmerfenster fällt an Winterabenden das Licht des beleuchteten Alfterer Schlosses.

Das ergibt eine perfekte Kulisse für romantische Dinner bei Kerzenschein. Wer das Dachgeschoss über den beiden Etagen der Öffentlichen Bücherei am Hertersplatz bewohnt, bekommt von allen Seiten Brauchtumspflege frei Haus: Festumzüge mit Pauken und Trompeten, den Soundcheck der Junggesellen vor der großen Party und das Geknatter von Oldtimer-Traktoren beim Herbstmarkt.

"Hier halten Sie es nicht länger als zwei Jahre aus", warnte der Hausmeister Verena und Mathias Bonn. Die ehemalige Lehrerwohnung in der 1865 erbauten alten Schule ist im Winter schwer zu heizen, im Sommer wird es trotz Klimagerät bis zu 42 Grad heiß. Aber damit hat sich das Ehepaar arrangiert. Es lebt nun bereits im dritten Jahr in dem denkmalgeschützten Gebäude, das bis 1981 als Grundschule genutzt wurde.

SteckbriefObjekt: Alte Schule, Hertersplatz 14, Alfter
Baujahr: 1865; letzte umfassende Renovierung 1991
Baustil: preußischer Backsteinbau
Denkmalschutz: 30.12.1987
Größe: 399 Quadratmeter
Früher: Volksschule
Heute: Öffentliche Katholische Bücherei, Mietwohnung im DachgeschossIn den Folgejahren diente es vorübergehend der Alfterer Rotkreuzgruppe als Unterkunft, bis 1991 eine umfassende Renovierung erfolgte. 1992 zog die Öffentliche Bücherei Sankt Matthäus dort ein, das Dachgeschoss wird von der Gemeinde Alfter seither als Wohnung vermietet.

Altes Holzgebälk und gemütliche Schrägen, teils original erhaltene Fenster und eine breite Glasfront im Wohnzimmer mit Aussicht über Alfter geben den 121 Quadratmetern ihren besonderen Charme. "Die Wohnung hat etwas vom Flair einer Pariser Mansarde", schwärmt Mathias Bonn (32).

Der Einzelhandelskaufmann hat sich mit seiner "Bonn Media Company" selbstständig gemacht und arbeitet als Discjockey und Veranstaltungstechniker, Sounddesigner und Musikproduzent. Seine 32-jährige Frau Verena, Diplom-Fotodesignerin, unterstützt ihn. Beide arbeiten oft bis spät in die Nacht. Sie genießen daher - von lautstarker Brauchtumspflege mal abgesehen - die Ungestörtheit unter dem Dach zum Ausschlafen.

Der Speicher der alten Schule wurde 1868 nachträglich zu einer Wohnung ausgebaut. Wegen steigender Schülerzahlen mussten damals auch immer mehr Lehrer untergebracht werden. Um 1880 platzte die Schule dennoch aus allen Nähten, sodass bereits 1883 ein zweiter Bau folgte: die neue alte Schule schräg gegenüber an der Lukasgasse.

Dort steht auch die Sirene. "Die ist so penetrant, danach schlafen Sie nicht wieder ein", beschreibt Verena Bonn einen Standortnachteil der Wohnung. An die Glockenschläge der nahe gelegenen Pfarrkirche Sankt Matthäus haben sich die beiden gewöhnt. Etwas umständlich ist der Empfang von Besuchern.

Denn die Zwischentür im Erdgeschoss des Treppenhauses muss stets verschlossen sein, damit Besucher der Bücherei nicht unbemerkt in die erste Etage gelangen können. Und außerhalb der Öffnungszeiten ist natürlich auch die Eingangstür abgesperrt. Das bedeutet also regelmäßiges Treppenjogging und dauert so seine Zeit. Ungeduldige Paketboten geben daher mitunter vorzeitig auf.

Die Entscheidung für das Wohnen in Alfter war ein Kompromiss und zugleich eine Herzensangelegenheit. "Ich konnte mir nie vorstellen, aufs Land zu ziehen", sagt Verena Bonn, die mitten in der Kölner Innenstadt groß geworden ist. "Ich bin dagegen ein richtiges Landei, das nie in die Stadt wollte", bekennt Mathias Bonn, der im Lohmarer Stadtteil Scheiderhöhe aufgewachsen ist. Alfter bot einen Mittelweg zwischen diesen Extremen.

Die alten Fachwerkhäuser und die verwinkelten Gässchen lieben die beiden, die von 2004 bis 2008 zunächst in Olsdorf wohnten, ganz besonders. "Eigentlich fehlt nur ein Balkon", bedauert Verena Bonn. Aber dafür gibt es ja die Festwiese.

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