Eine Villa mit Turnhalle

Der Palastweiher wurde als "Wilhelm-Auguste-Viktoria-Haus" erbaut und war Volkswohlgebäude, Schule und Lazarett.

Eine Villa mit Turnhalle
Foto: Frank Homann

Königswinter. "An der Schiebetür haben wir Spickzettel gefunden." Das war während der Renovierung des Palastweihers. Bevor die Gruppe Kultur der Lokalen Agenda 21 vor fünf Jahren neue Mieterin wurde und das städtische Gebäude zum Kunstforum machte. Ihr Sprecher Klaus Uwe Meier: "Die Notizen waren in der Filzwand festgesteckt." Und sie sind ein Relikt aus jener Zeit, als der prächtige Bau noch als Schule diente.

Vor 100 Jahren wurde der Palastweiher eingeweiht. Eine Inschrift rechts oben an der Fassade weist auf Ferdinand Mülhens als Bauherrn und den Honnefer Architekten Ottomar Stein hin. "Wilhelm-Auguste-Viktoria-Haus" wurde der Neubau genannt. Der 4711-Duftwasserfabrikant, der auf dem Wintermühlenhof lebte, stiftete die Villa den Bürgern als Volkswohlgebäude.

Steckbrief Objekt: Palastweiher an der Winzerstraße
Baujahr: 1911, restauriert 2005
Baustil: Jugendstil, Historismus
Größe: 450 Quadratmeter
Früher und heute: Volkswohlgebäude, Schule, Ausstellungsgebäude, Kleinkunst, Refugium für Künstler, Studienhaus für keltische Sprachen und KulturDie Silberhochzeit des Kaiserpaares Wilhelm II. und seiner Gemahlin Auguste Viktoria wenige Jahre zuvor war bereits Anlass für den Mäzen, den Königswinterern die Turnhalle am alten Friedhof zu schenken.

Mit dem direkt angefügten "Wilhelm-Auguste-Viktoria-Haus" erhielten die Sportler im Untergeschoss Räume zum Umkleiden. Während in der Halle die Bevölkerung ihre Muskeln stählen konnte, ging es im "Volkswohl" um die Erweiterung des geistigen Horizonts. Die eingebauten Regale und Schränke im Erdgeschoss geben Hinweise auf die einstige Nutzung.

Ein Raum war als Bibliothek und Lesezimmer eingerichtet, ein zweiter diente Vereinen als Sitzungskabinett. "Die Trenntür haben wir herausgenommen, das ist für die Ausstellungen und Veranstaltungen praktischer", so Meier. "Als das Haus generalüberholt wurde, haben wir auch die eingezogenen Decken entfernt."

Dabei traten erstaunliche Kostbarkeiten zutage: schöne Stuckdecken, vergoldete Kassetten und Zierband, die lange verborgen waren. Hier hatte Monika Stützer vor genau 50 Jahren ihre mündliche Abiturprüfung. Denn im "Volkswohl" war ihr Mädchengymnasium. "Wir Schülerinnen mussten durch die Seitentür, die Lehrer durch den Haupteingang." So wie heutzutage die Besucher. Mehrere Stufen sind zu nehmen, um die Lesezimmerebene zu erreichen.

Dieses Entree korrespondiert mit dem geschmiedeten Treppengeländer in neobarocker Form. Hinauf geht es zum Musiksaal. Die Intarsien der Holzvertäfelung zeigen Instrumente. Derzeit lagert hier das Siebengebirgsmuseum einige Schätze. Meier: "Wenn wir Ende Mai unsere zehnten Kunsttage haben, soll der Saal renoviert sein. Wir möchten auch hier die originale Decke ans Licht bringen."

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Die Nazis nutzten das Volkswohlgebäude zunächst als Heim für die Hitlerjugend. Ab 1939 machten sie es zur Mittelschule. Die Stationen Feldlazarett und Luftschutzkeller sowie nach dem Krieg Mädchenlyzeum gehören ebenfalls zur Geschichte des Wilhelm-Auguste-Viktoria-Hauses.

Nach dem Auszug der Schülerinnen war in ihm bis 2002 die Erziehungs- und Beratungsstelle untergebracht.

Der größte Raum des Obergeschosses diente einst als Zeichensaal. Er wurde aufgeteilt, und die Lokale Agenda vermietet die Ateliers an Maler. "Damit hat dieser Bereich seine ursprüngliche Bedeutung wiedergefunden", ist Klaus Uwe Meier zufrieden. Möglich ist das dank einer Mäzenin.

Schon von außen streichelt der Anblick die Sinne. Viele historistische Verzierungen sind an der Fassade zu erblicken wie das elliptische "Ochsenauge", der Dreiecksgiebel, der Klötzchenfries unter der Dachtraufe, die Doppelpilaster. Auf den Bauplänen fehlten sie, aber während der Arbeiten überholte der Zeitgeist den Planer.

Jugendstilelemente schlichen sich ein wie etwa das Eisengitter an der Eingangstür. Und die Erbauerinschrift wurde nicht wie vorgesehen mit Girlanden und Troddeln verziert, sondern mit floralen Ornamenten umrahmt. Der Kaiserin hätte es sicher gefallen.

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