Empörung über den Probsthof

Mit einem Ausschluss von Jugendlichen mit Migrationshintergrund hat sich das Evangelische Kinder- und Jugendheim Probsthof bei seiner Bewerbung um die Trägerschaft für die Häuser der Jugend selbst aus dem Rennen katapultiert. Der Stadtrat sprach sich am Montag in nichtöffentlicher Sitzung für die Katholischen Jugendwerke Rhein-Sieg aus.

Königswinter. Mit einem Ausschluss von Jugendlichen mit Migrationshintergrund hat sich das Evangelische Kinder- und Jugendheim Probsthof bei seiner Bewerbung um die Trägerschaft für die Häuser der Jugend selbst aus dem Rennen katapultiert. Der Stadtrat sprach sich am Montag in nichtöffentlicher Sitzung für die Katholischen Jugendwerke Rhein-Sieg aus.

In seiner Bewerbung, die dem General-Anzeiger vorliegt, hatte der Probsthof als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit in den beiden Jugendhäusern in Niederdollendorf und Oberpleis genannt, dass die einseitige Dominanz der Migranten aufgehoben werden müsse.

Um zu verhindern, dass kulturelle Gruppierungen in den beiden Einrichtungen überrepräsentiert sind, "werden diese keinen Zutritt mehr zu den Häusern haben", heißt es in dem Bewerbungsschreiben vom 23. Mai.

Aus der Bewerbung "Eine für beide Häuser entscheidende Grundvoraussetzung ist, dass es bei der Besucherstruktur keine einseitige Migrantendominanz gibt. Da derzeit bei beiden Häusern eine starke Überrepräsentanz einer jeweils anderen kulturellen Gruppierung vorhanden ist, werden diese keinen Zutritt mehr zu den Häusern haben. Es soll dadurch anderen Jugendlichen, insbesondere auch Deutschen und anderer Nationalitäten, die Möglichkeit eröffnet werden, angstfrei sich diesen Orten wieder zuzuwenden.

Kriminelle Machenschaften einzelner Gruppierungen sollen so ausgegrenzt werden, damit ein spannungsfreies Miteinander wieder Chancen hat. Eine Wiedereingliederung Einzelner kann erarbeitet werden." (aus der Bewerbung des Probsthofes um die Trägerschaft der Jugendfreizeitstätten in Königswinter vom 23. Mai 2011)Dadurch sollten sich andere Jugendliche "angstfrei" diesen Orten wieder zuwenden können. Eine Wiedereingliederung einzelner Jugendlicher könne allerdings erarbeitet werden. Die Passage im Abschnitt "Multikulturelle Jugendarbeit" hat der Probsthof ausdrücklich gefettet. Probsthof-Geschäftsführer Ulrik Dyckerhoff blieb gestern gegenüber dem General-Anzeiger inhaltlich bei seiner in der Bewerbung zum Ausdruck gekommenen Sichtweise.

Als "skandalös" bezeichnete ein Königswinterer Ratsmitglied das Papier. Empört hätten auch andere Mitglieder des eigens gebildeten Unterausschusses, der sich in zwei nichtöffentlichen Sitzungen mit den Bewerbungen beschäftigte, reagiert. Das gelte auch für die Vertreter der beiden Kirchen, die als Freie Träger im Ausschuss sitzen.

Bei der zweiten Sitzung des Unterausschusses am 24. Juni hatten die drei Bewerber Probsthof, Stadtjugendring und Katholische Jugendwerke jeweils 45 Minuten Zeit, ihre Konzepte zu präsentieren. Dort hätten die Vertretern des Probsthofs, auf die kritische Passage in ihrer Bewerbung angesprochen, keine Bereitschaft gezeigt, diese zurückzunehmen.

Bei der anschließenden Bewertung im Ausschuss sei man sich dann einig gewesen, dass der Probsthof für die Trägerschaft nicht in Frage komme. Dieser Sichtweise schloss sich der Jugendhilfeausschuss am vergangenen Donnerstag in seiner nichtöffentlichen Sitzung an und empfahl dem Stadtrat im Einvernehmen, den Bewerber Probsthof "aus sachlichen Gründen" nicht zu berücksichtigen. Dem folgte der Stadtrat am Montagabend.

Probsthof-Geschäftsführer Ulrik Dyckerhoff bat gestern gegenüber dem General-Anzeiger darum, die fragliche Passage im Zusammenhang darzustellen. "Die Jugendlichen können sich den Zugang wieder erarbeiten", betonte er. Er blieb allerdings bei seiner Bewertung der momentanen Situation in den Jugendhäusern.

Kommentar Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Skandalöses Ansinnen"

"Es gibt dort einen Überhang von jeweils einer Gruppierung, was dazu führt, dass andere Jugendliche sich dort nicht mehr hintrauen. Die offene Jugendarbeit muss aber ein Angebot an alle sein."

Nach Dyckerhoffs Informationen wird das Niederdollendorfer Haus der Jugend von jungen Türken und das Oberpleiser von jungen Russen dominiert. "Wir wollten die Jugendhäuser durch kulturelle Angebote wie Musik- oder Kabarettveranstaltungen auch für andere Migranten und Deutsche wieder attraktiver machen." Ziel der Bewerbung sei es gewesen, dass auch solche Jugendliche die Jugendhäuser wieder "angstfrei" besuchen können.

"Die Luft der Liebe muss hier wehen"Das Evangelische Kinder- und Jugendheim Probsthof ist eine gemeinnützige und mildtätige GesellschaftmbH und gehört seit über 100 Jahren fest zum Ortsbild von Niederdollendorf.

"Die Luft der Liebe muss hier wehen", sagte einst seine Gründerin Frieda Caron, die den Probsthof im Jahr 1896 erwarb und in einen Kinderhort umwandelte. Carons Familie war in Haus Heisterbach, dem heutigen Jugendhof Rheinland, ansässig. Im Jahr 1908 wurde das Kinderheim den Diakonissinnen in Kaiserswerth geschenkt, die es bis 1964 führten. 1963 wurde der Verein "Evangelisches Kinderheim Probsthof" gegründet, der neuer Träger der Einrichtung wurde. Der Förderverein zeichnete auch für den Abriss des maroden alten Gebäudes und den Neubau in den Jahren 1969 bis 1974 verantwortlich.

Der Stadtrat gab im Dezember 2010 in einer knappen Entscheidung dem Probsthof den Vorzug vor der Elterninitiative Mikado als Träger einer neuen viergruppigen Kindertageseinrichtung für rund 70 Kinder. Baubeginn für die Kita im Sträterschen Park soll im Herbst sein.

Der Kindergarten wird zwei integrative Gruppen haben. Bis zur Fertigstellung des Neubaus richtet der Probsthof ab August im Gebäude des Kinder- und Jugendheims eine integrative Gruppe und eine Gruppe der Gruppenform I ein. Zudem übernimmt er von der evangelischen Kirchengemeinde Oberkassel-Dollendorf die Trägerschaft für eine eingruppige Einrichtung in einem Nebengebäude. Die zweite integrative Gruppe startet im Neubau.

Seit 2005 bietet der Probsthof für die Region Bonn/Rhein-Sieg individualpädagogische Maßnahmen in Portugal auf der Basis des Kinder- und Jugendhilfegesetzes an. Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche mit massiven Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsdefiziten oder Entwicklungsstörungen, die von den herkömmlichen Hilfen zur Erziehung nicht mehr erreicht werden.

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