Erik Ode hatte viel Zeit

So gesehen von Hans-Peter Fuß: Früher war alles besser, sagen viele Menschen...

Früher war alles besser, sagen viele Menschen. Alles war überschaubarer, nicht so hektisch, die Leute hatten mehr Zeit füreinander, heißt es.

Das mag stimmen, ist aber nur die halbe Wahrheit. Wer heute beispielsweise die 60er Jahre glorifiziert, sollte sich einmal das WM-Finale von 1966 in voller Länge auf DVD anschauen. Da reiht sich in der deutschen Mannschaft ein Abwehrfehler an den nächsten.

Oder die ersten Folgen des "Kommissars". Für Erik Ode, der im November 100 Jahre alt geworden wäre, und seine Mannen sind alle Frauen unter 30 "Mädchen". Körperbehinderte nennt er "Krüppel", geistig behinderte Menschen sind in der Serie "Schwachsinnige". All das konnte in dem beliebten Krimi gesagt werden, ohne dass sich auch nur ein Mensch aufregte.

Dagegen ist es aus heutiger Perspektive amüsant, wenn in einer Folge ein 26-jähriger Student in den Verdacht gerät, seinen Vater ermordet zu haben, weil er nicht mehr zu Hause wohnt: Das spreche doch für ein Zerwürfnis, kombiniert der Kommissar.

Das Aufgabenprofil der Sekretärin umfasste Kaffeekochen und Aufhängen des Mantels, den der Chef ihr beim Betreten des Büros zuwarf. Der Kommissar rauchte ohne Ende und nahm im Dienst harte Getränke zu sich. Einem in Verdacht geratenen Lehrer stellte er gerne mal vor versammelter Klasse peinliche Fragen.

Aber ansonsten war "Der Kommissar" schwer in Ordnung. Der Mörder war meist schon am Namen erkennbar: Wer "Graffe" oder "Laganke" hieß, dem war alles zuzutrauen. Die Handlung war überschaubar, deren Schauplätze ebenso. Hektik kannten Täter und Ermittler nicht. Sie hatten eben mehr Zeit füreinander.

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