Fall Anna Externer Gutachter Schrapper bricht sein Schweigen

KÖNIGSWINTER · Erst sagte Christian Schrapper möglicherweise zu viel, wenn man den übereinstimmenden Presseberichten über seinen Vortrag vor dem Neuwieder Kreistag im September 2011 Glauben schenkt. Dort soll der externe Gutachter, der im Auftrag der Stadt die Arbeit des Jugendamtes im Fall des im Juli 2010 getöteten Pflegekindes Anna untersuchen soll, von einer Verkettung von Unachtsamkeiten und Fehleinschätzungen gesprochen haben, was er selbst aber bestreitet.

Danach sagte Schrapper nichts mehr, weil er nicht ins laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eingreifen wollte. Am Dienstagabend im Jugendhilfeausschuss brach er nun sein Schweigen. "Fast zwei Jahre nach Annas Tod muss man sich sonst die Sinnfrage stellen", sagte auch Dezernent Holger Jung. Es sei nicht absehbar, wann das einzig noch laufende Strafverfahren gegen die Sachgebietsleiterin abgeschlossen sei. Deshalb hat die Stadt Schrapper gebeten, die Ergebnisse seines Gutachtens schon früher vorzustellen.

"Ich habe mich dazu entschieden, dass ich im September etwas sagen werde", so der Gutachter. Er werde allerdings keine Aussagen zur Schuldfrage treffen, sondern sich allein dazu äußern, welche Konsequenzen im Jugendamt aus dem Fall zu ziehen seien. "Wie muss das Jugendamt aufgebaut sein, damit fachliche Lehren gezogen werden. Das ist eine ganz andere Beurteilung als im Strafverfahren", so Schrapper.

So viel verriet er schon jetzt: Ein Jugendamt müsse beim Umgang mit Pflegefamilien und Pflegekindern zwei ganz verschiedene Dinge leisten: einerseits möglichst fundierte Einschätzungen vornehmen, andererseits diese immer wieder hinterfragen. "Es muss überprüfen, ob neue Erkenntnisse dazugekommen sind, die dazu führen, dass man die Anfangsentscheidung revidieren muss. Solche Entscheidungen treffen zu müssen, wünscht sich keiner von uns", so Schrapper.

Die Organisation Jugendamt müsse diese Spannung jedoch aushalten. "Sie muss so aufgestellt sein, dass Bewertungen zuverlässig und sicher getroffen werden können - mit in der Regel unzureichenden Informationen." Eine klare und präzise Struktur und eine klare und verantwortliche Personalführung sei da wichtig. "Ich habe damit noch nicht gesagt, dass das im Fall Anna nicht so war", so Schrapper. Vielleicht sagt er es ja am 25. September.

Konsequenzen in der organisatorischen und personellen Struktur des Jugendamtes wurden bereits gezogen und mit Schrapper abgestimmt. Die Trennung zwischen Verwaltungsleitung und pädagogischer Leitung, die seit 16 Monaten Bestand hat, lobte der Gutachter, weil sich die pädagogische Leitung im Sachgebiet Erziehungshilfen, zu dem der Pflegekinderdienst gehört, nun auf die Fachlichkeit konzentrieren könne.

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