Integration in Königswinter Flüchtlinge trainieren mit dem TuS Oberpleis

Oberpleis · Donnerstagabend, acht Grad Celsius, Flutlichtatmosphäre. Die äußeren Bedingungen für ein Uefa Europa-League-Spiel wären gegeben. Auch der Kunstrasenplatz in der Basalt-Arena macht einen guten Eindruck. Aber es sind nicht die Stars von Borussia Dortmund oder Schalke 04, die an diesem Abend den Rasen betreten, sondern Feierabendkicker.

 Schneller Antritt: Mubarak (Mitte) und Noah (r.) beim abendlichen Trainingsspiel in Oberpleis.

Schneller Antritt: Mubarak (Mitte) und Noah (r.) beim abendlichen Trainingsspiel in Oberpleis.

Foto: Homann

Gleich drei Seniorenteams des TuS Oberpleis teilen sich das Stadion. Wenn es eng wird, wechselt ein Team auf das Kleinspielfeld nebenan. Dieses Mal muss die zweite Mannschaft des TuS um Co-Trainer Roman Paul ausweichen. Obwohl sich auf anderthalb Fußballplätzen bereits zahlreiche Spieler tummeln, lädt der TuS seit vergangenem August Flüchtlinge zur Teilnahme am Training ein.

"Nachdem unser Vorsitzender Norbert Seeger eine Flüchtlingsunterkunft besucht hatte, schlug er die Aktion im Vorstand vor", erinnert sich Jugendleiter Ekkehart Franz. Seitdem engagiert sich der Turn- und Spielverein für Flüchtlinge. "Wir sprechen in den Unterkünften in Stieldorf und Oberpleis Bambinis wie auch 18-Jährige an", sagt Vereinsmitglied Munir Ainouz, der sich auf Arabisch mit den Menschen austauschen kann. Er und sein Vereinskollege Felix Nicolin sind zwar erst 16 Jahre alt, koordinieren aber bereits die Aufnahme der Gastspieler in der Jugendabteilung mit.

Im Schatten der ersten Mannschaft trainiert der TuS Oberpleis II auf dem schlecht beleuchteten Kleinspielfeld. Bei einstelligen Temperaturen hält warmer Tee die Spieler des B-Kreisligisten bei Laune. In den vergangenen Monaten haben auch sie neue Teamkollegen bekommen: Die beiden Albaner Samet Spahijaj (22) und Xhuljano Skëndaj (18) sind aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in ihrem Land und der dort herrschenden Korruption geflüchtet. Samet ist Abiturient und war Profifußballer in seiner Heimat. Xhuljano hingegen möchte wie sein Vater Tischler werden. "Es gibt keine Jobs in Albanien und die albanischen Medien berichten nicht von der Realität", so die beiden jungen Männer auf Englisch.

"Die meisten sind von Beginn an total engagiert und haben Lust, Fußball zu spielen", sagt Co-Trainer Roman Paul über seine neuen Schützlinge. "Sport verbindet. Das Spektrum ist breit - vom Hobbykicker bis zum Amateurfußballer, der in seiner Heimat bereits guten Fußball gespielt hat und uns wirklich verstärkt. Über die sozialen Medien entstehen auch die ersten Freundschaften, man vernetzt sich und tauscht sich aus."

Beim abendlichen Trainingskick fünf gegen sechs hingegen herrscht Stille. Auf dem Platz wünscht sich Roman Paul von allen seinen Spielern mehr Kommunikation - in deutscher oder englischer Sprache. Die Fluktuation der Gastspieler in den Oberpleiser Seniorenteams sei groß, allerdings würden elf Spieler regelmäßig am Trainingsbetrieb teilnehmen. "Wir kommen gut mit den Jungs klar und sind froh, dass sie dabei sind, weil wir in der vergangenen Zeit nicht immer vollzählig beim Training waren", sagt der Torhüter der zweiten Mannschaft, Alex Kessel.

Für Ligaspiele fehle noch die Spielberechtigung: "Wir haben den Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverband kontaktiert, haben bislang aber noch keine Rückmeldung erhalten", so der Sportliche Leiter der Senioren, Kajo Miebach.

Einen langen Weg hat Mittelfeldspieler Mubarak Said (29) auf sich genommen: 22 Tage war der Syrer quer durch Europa unterwegs. "Die Reise war hart. Ich habe das Mittelmeer mit einem Boot von der Türkei aus nach Griechenland überquert. 17 Stunden war ich zu Fuß von Griechenland nach Mazedonien unterwegs. In Mazedonien durfte ich dann nicht mit dem Bus weiterreisen. Ich habe dort auf der Straße geschlafen. Serbien habe ich nach drei Tagen mit einem geschenkten Fahrrad erreicht", erinnert sich der ehemalige syrische Junioren-Fußballnationalspieler.

Während des Trainings trägt der 29-Jährige das deutsche WM-Trikot von 2006. Das Motto des Turniers lautete damals: "Die Welt zu Gast bei Freunden". Seit vier Monaten lebt er in Deutschland. Vor seiner Flucht arbeitete er in einem Hotel. Dreimal die Woche besucht er einen Sprachkurs. Mit seinen Teamkollegen verständigt er sich noch auf Englisch. Ansonsten wartet er auf seine Aufenthaltspapiere. "Ich fühle mich sicher in Deutschland, aber ich vermisse meine Familie. Einige leben noch in Damaskus, der Rest in Jordanien.""Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Menschen hier mitspielen und mittrainieren dürfen", sagt Kajo Miebach. Vom Projekt des Potsdamer Vereins SV Babelsberg, der eigens ein Flüchtlingsteam für den Ligabetrieb angemeldet hat, hält er nichts: "In einer gemischten Mannschaft mit deutschen und ausländischen Spielern, wie hier in Oberpleis, lernen sie neben Fußballspielen auch noch die Sprache."

Ein Lernzuwachs sei auch auf anderer Ebene möglich: "Zur Integration gibt es nichts Besseres als eine Mannschaftssportart. Man lernt sich einzuordnen, gegebenenfalls unterzuordnen, und manchmal muss man auch akzeptieren, dass jemand anderes einfach besser ist."

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