Abgeschlossene Restaurierung Früheres jüdisches Gotteshauses in Niederzissen erstrahlt in neuem Glanz

NIEDERZISSEN · Wunder werden zwar immer seltener, aber sie geschehen. Wenn man fest daran glaubt und ein Ziel vor Augen hat. Das hatte Richard Keuler. Vor etwas mehr als zwei Jahren initiierte der Ortsbürgermeister von Niederzissen den Kauf der ehemaligen Synagoge des Brohltal-Dorfes durch die Gemeinde.

 Von der Schmiede zum Schmuckstück: Zwischen diesen Bildern der Niederzissener Synagoge...

Von der Schmiede zum Schmuckstück: Zwischen diesen Bildern der Niederzissener Synagoge...

Foto: Günther Schmitt

Es war ein heruntergekommenes Gebäude, in dem über Jahrzehnte hinweg eine Schmiede untergebracht war. So sah es denn im Inneren auch aus. Ruß, Schmutz. Nur eine verblasste Sonne an der Decke ließ im März 2010 bei einer Besichtigung mit dem General-Anzeiger erahnen, dass hier einmal mehr war als Esse und Amboss.

März 2012: Nichts ist wie es war. Weiße Fenster und eine Tür sind dort, wo eine grüne Schiebetür den Zugang zur Werkstatt bildete. Auf dem Vorplatz laufen die letzten Pflasterarbeiten rund um den bei der Restaurierung entdeckten Brunnen der Synagoge. Und der Schritt durch die Tür macht nur noch staunen. Strahlend weiß leuchtet die Empore, weiß und altrosa abgesetzt sind die Fensternischen und rund um die Wände läuft eine Bordüre nach dem Vorbild, das Restauratoren unter der dicken Rußschicht zu Beginn der Arbeiten vor zwei Jahren gefunden haben.

Die Nische für den Thoraschrein, einst ein Metall-Regal mit Schubfächern, ist wieder in den Mittelpunkt gerückt, die Sonnen an der Decke leuchten wieder golden und im Nebenraum, der künftig die Ausstellung mit Dokumenten und Kultgegenständen aus der ehemaligen Synagoge beherbergen soll, stolpert der Betrachter im Wortsinne über einen Zufallsfund. Peppo Fiorelli, ebenso wie Keuler im Kultur- und Heimatverein engagiert, hat ihn gemacht.

Mehr als sechs Meter tiefer Brunnen

"Ich wollte den alten Boden rausreißen und stieß auf einmal auf Terrakottaplatten. Da hab' ich weiter gekratzt", sagt der freiwillige Helfer mit sardischen Wurzeln. Und kam bald aus dem Graben nicht mehr heraus. Denn entdeckt hatte er die Mikwe, das rituelle jüdische Bad, das zur Synagoge gehörte. Fiorelli forschte mit seinem Freund Albert Schäfer nach dem Zulauf für das Bad, denn das Wasser in einer Mikwe muss laut jüdischer Vorschrift fließen. Entdeckt wurde der Brunnen auf dem einstigen Parkplatz vor der Synagoge - zugeschüttet bis oben hin.

Was tun? Mit einem Seil gesichert, arbeitete sich Fiorelli ("Ich bin der schlankste von allen Helfern") Meter um Meter nach unten. Ergebnis: Der Brunnen ist mehr als sechs Meter tief und führt wieder kristallklares Wasser. Kurzum, in Niederzissen steht jetzt ein Schmuckstück. Das übrigens bundesweit Beachtung findet. Denn die Genesa-Funde auf dem Speicher gehören zu den absoluten Raritäten der vergangenen Jahrzehnte.

Um diese kümmern sich die Professoren Andreas Lehnhardt (Uni Mainz), Annette Weber (Heidelberg) und Falk Wiesemann (Düsseldorf). Auch hat die Uni Heidelberg eine Doktorarbeit über die textilen Funde und ihre kulturhistorische Einordnung vergeben. Doch beileibe noch nicht alle Funde sind gesichtet.

40 große Kisten warten noch auf Entdecker. Wiederentdeckt wurde übrigens auch die einstige Gusseisenstütze der Empore - seit 60 Jahren Stütze eines Hausbalkons. Aber auch sie steht wieder am alten Platz - natürlich gespendet.

Zuschüsse gab es ebenfalls für das 410.000-Euro-Projekt: 160.000 Euro aus der Dorferneuerung, 75.000 von der Landesdenkmalpflege, 70.000 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und 12.000 von der Landeskulturstiftung für den Kauf.

Und nicht zu vergessen 30.000 Euro Eigenleistung als Beitrag des Kultur- und Heimatvereins, der auch die Trägerschaft für die künftige Erinnerungs- und Begegnungsstätte übernommen hat. Eine Aufgabe, der sich Keuler als Vorsitzender mit Herzblut widmen will.

Einweihung

Die Einweihungsfeier der Erinnerungs- und Begegnungsstätte findet am Sonntag, 18. März, ab 14 Uhr in der ehemaligen Synagoge statt. Die jüdische Gemeinde Neuwied wird dabei durch Kantor Jürgen Ries vertreten. Neben Innenminister Roger Lewentz kommt aus den USA Harvey Berger, Enkel des letzten Vorstehers der jüdischen Gemeinde Niederzissen. Er und Laurenz Friedmann, ebenfalls amerikanischer Jude, werden ein besonderes Präsent dabei haben: "Never again" heißt ein Bronzerelief, das die Künstlerin Steffi Friedmann aus Connecticut, Mutter von Laurenz Friedmann, schuf. Sie schenkt es Niederzissen als Dank für die Rettung der Synagoge.

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