Ganz nah am Grizzly

Der populäre Tierfilmer Andreas Kieling wohnt im Eifel-Ort Hümmel. Von dort aus startet er zu seinen Expeditionen.

Ganz nah am Grizzly
Foto: privat

Kreis Ahrweiler. Als die Bagger vor seinem Haus mit dröhnenden Motoren ihre Arbeit aufnehmen, legt sich die Stirn von Andreas Kieling unvermittelt in Falten. Deutschlands derzeit populärster Tierfilmer, der eben noch begeistert von seinem Leben mit Grizzlys auf Kodiak Island erzählt hat, macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: "Da wird gerade der Lebensraum von einem der seltensten Tiere der Eifel platt gemacht."

Gemeint ist die Geburtshelferkröte, die auf der Roten Liste gefährdeter Arten ganz oben rangiert. "Zwei Jahre habe ich für den Erhalt eines der letzten Biotope, in dem dieses einzigartige Tier noch anzutreffen war, gekämpft", erklärt der 51-Jährige mit leiser Stimme. Vergeblich. Denn jetzt muss das nur wenige Zentimeter große Amphibium im Eifeldorf Hümmel dem neuen Gemeindehaus weichen.

"Die heimische Fauna und Flora hat für mich nichts von ihrer Faszination verloren", sagt der Mann, der sich gewöhnlich mit Eisbären, Berggorillas und Elefanten auf Tuchfühlung begibt, um unter extremen Bedingungen Bilder zu schießen, wie sie vor ihm noch niemandem gelungen sind.

Für seine Arbeit wurde Andreas Kieling vor drei Jahren als erster Deutscher mit dem britischen "Panda Award" - dem Oscar des Tierfilms - ausgezeichnet. Ausgangspunkt seiner "Expeditionen zu den Letzten ihrer Art", so der Titel seiner erfolgreichen ZDF-Serie, von der am 3. und 10. Mai zwei weitere Teile zur Prime Time ausgestrahlt werden, ist Hümmel.

Dort lebt der Extremfilmer mit Ehefrau Birgit und seinen beiden Söhnen Erik und Thore auf einem Bauernhof. Bevor der gebürtige Thüringer die 500-Seelen-Gemeinde 1982 zu seiner Heimat erkoren hat, hatte ihn sein "unglaublicher Freiheitsdrang" bereits um die Welt geführt.

Getrieben von der Sehnsucht nach Abenteuern, wie er sie bis dahin in den Büchern von Jack London und Ernest Hemingway nur habe lesen können, war ihm mit 16 Jahren die Flucht aus der DDR über die Tschechoslowakei in die Bundesrepublik gelungen. Mit der Kugel aus der Waffe eines CSSR-Grenzers im Rücken hatte er in Österreich das rettende Ufer der Donau erreicht.

Nur wenige Monate später heuerte der Abenteurer bei einer Reederei an. "Wenn du als Leichtmatrose bis in die tiefste Südsee vordringst, musst du dich schon mal zwicken."

Mit 20 absolvierte der Globetrotter in Norddeutschland eine Ausbildung zum Forstwirt und Jäger, bevor ihn eine Anstellung als Revierjäger in die Eifel lockte. Bald machte Andreas Kieling erstmals als Naturfotograf und Dokumentarfilmer auf sich aufmerksam.

In der Eifel spielte auch sein bis heute aufwendigstes Projekt. "Im Herzen deutscher Wälder" ist der Titel des Meisterwerks, an dem Kieling insgesamt vier Jahre gearbeitet hat. "Damals war ich der weltweit erste Tierfilmer, der einen Keilerkampf vor die Linse bekommen hat", ist der Hümmeler stolz auf den preisgekrönten Streifen.

Ein Keiler war es auch, der ihm die bislang schwersten Verletzungen zugefügt hat. "Es war zur Paarungszeit, als mich das mächtige Tier angegriffen, mir das Schulterblatt gebrochen und seine Hauer in Gesicht und Unterarme gerammt hat", schildert Kieling die dramatischen Sekunden vor nunmehr 17 Jahren.

Auf seiner Jagd nach spektakulären Bildern hat Kieling die letzten unberührten Regionen der Erde bereist. Als bislang "emotionalste Expedition" bezeichnet er jedoch seine Deutschland-Wanderung, die ihn mit Hündin Cleo 1 400 Kilometer an der ehemaligen innerdeutschen Grenze entlang geführt hat. "Cleo" wird auch "beim großen Ritt durch die USA" an seiner Seite sein - eines der nächsten großen Projekte.

"Bis dahin arbeite ich an einer Art Inventur der deutschen Natur, die als Zweiteiler im ZDF zu sehen sein wird", kündigt der 51-Jährige an. Ob darin auch die Geburtshelferkröte ihren Platz haben wird, will er indes noch nicht verraten.

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