GA-Interview zu Asylverfahren Gauck: Wir sind nicht überfordert

BERLIN · Bundespräsident Joachim Gauck sieht Deutschland vor dem Hintergrund Hunderttausender Flüchtlinge nach Europa nicht an der Grenze zur Überforderung und hat zugleich schnellere Asylverfahren wie auch Abschiebung in sichere Herkunftsstaaten verteidigt.

 Für eine harte Reaktion des Rechtsstaates bei Angriffen auf Flüchtlingswohnheime: Bundespräsident Joachim Gauck

Für eine harte Reaktion des Rechtsstaates bei Angriffen auf Flüchtlingswohnheime: Bundespräsident Joachim Gauck

Foto: Uwe Steinert

"Was wir derzeit erleben, ist eine Herausforderung, aber keine Überforderung", sagte Gauck in einem Interview des General-Anzeigers. In ihrer Heimat Verfolgte, die nach Deutschland kämen, hätten einen Rechtsanspruch auf ein faires Asylverfahren. "Ein Teil der Menschen wird bleiben dürfen, andere werden das Land wieder verlassen müssen - entweder freiwillig oder indem man sie abschiebt", sagte Gauck weiter.

Zugleich warb er um Verständnis für die Abschiebung in sogenannte sichere Herkunftsstaaten. "Diese für viele Betroffene so harte Zurückweisung muss leider sein. Sie hilft uns, eine Überforderung zu vermeiden - was wichtig ist, damit wir auch weiterhin bedrohte Menschen aufnehmen können."

Gauck nannte brennende Flüchtlingsheime kein Zeichen von Überforderung. "Nein, das ist ein Zeichen von menschenfeindlicher Gesinnung; es sind Schandtaten von Brandstiftern und Hetzern, von militanten Rassisten, Nationalisten und Ideologen." Auf diese Angriffe müsse der Rechtsstaat mit allen Mitteln reagieren und "ganz klar machen: Das ist nicht unser Deutschland!" Dass Übergriffe auf Asylbewerber und Asylbewerberheime häufiger im Osten als im Westen Deutschlands zu verzeichnen seien, "überrascht mich nicht", sagte Gauck. Auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung gebe es "noch zwei unterschiedliche politische Kulturen in Deutschland". Ein Teil der Bevölkerung im Osten verharre "im Modus der unzufriedenen Beherrschten".

Der Bundespräsident machte deutlich, dass er derzeit ein günstiges Klima für eine offene Debatte über ein Einwanderungsgesetz sieht. In Deutschland gebe es "inzwischen ein sehr breites Bewusstsein dafür, dass wir ein Einwanderungsland sind." Deutschland sei ein alterndes Land und der Wirtschaft fehlten Fachkräfte.

Gauck sprach sich zudem dafür aus, den 2019 auslaufenden Solidarpakt II künftig stärker an der Bedürftigkeit von Regionen in ganz Deutschland zu orientieren. Dazu zählten auch Teile von NRW.

Der Bundespräsident machte zugleich deutlich, dass er an seinem Bonner Amtssitz Villa Hammerschmidt festhalten wird. "Ich finde, dass Bonn eine Anerkennung verdient hat, weil es schon vor geraumer Zeit den Frust über den Beschluss des Bundestages für Berlin hinter sich gelassen hat." Gauck äußerte offen seine Sympathie für die Bundesstadt: "Ich mag dieses Bonn." Der Bundespräsident hält sich von Montag an für drei Tage in Bonn auf.

Das komplette Interview gibt es am Samstag im General-Anzeiger und auf www.ga.de

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