Gedenkstätte Yad Vashem zeichnet Dollendorferin posthum aus

Königswinter · Wilma Groyen rettete Freundin und Sohn vor drohender Deportation

Gedenkstätte Yad Vashem zeichnet Dollendorferin posthum aus
Foto: Frank Homann

Königswinter. "Für meine Mutter war das eine Selbstverständlichkeit, ihrer Freundin zu helfen. Sie hat sich nicht als Heldin gesehen", sagte Ruth van Essen. Jetzt wurde Wilma Groyen von der Dokumentations- und Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem posthum als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet. Sie hatte Martha Steeg aus Oberdollendorf und deren Sohn Günther vor der drohenden Deportation gerettet.

Die Medaille, die Gisela Kuck von der Botschaft des Staates Israel bei einer kleinen Feierstunde im Siebengebirgsmuseum stellvertretend der Tochter verehrte, reichte Ruth van Essen gleich weiter an Museumsleiter Elmar Scheuren. "Solche Dokumente sind wichtig, um Geschichte lebendig zu erhalten und gegen das Vergessen zu arbeiten. Sie werden einen würdigen Platz erhalten", bedankte sich Scheuren für die großzügige Geste. Auch Bürgermeister Peter Wirtz freute sich, dass das Siebengebirgsmuseum Hort der Ehrenmedaille sein darf.

Er verneigte sich vor Wilma Groyen: "Sie hat wahre Größe gezeigt in den dunkelsten Stunden unserer Geschichte." Manfred Struck von der Projektgruppe "Rettung verfolgter Juden und Jüdinnen" der Regionalgruppe Mittelrhein des Vereins "Gegen vergessen - Für Demokratie", welche die Ehrung beantragt hatte, verlas ein Grußwort von Ralph Giordano, der 1985 einen Dokumentationsfilm über die Juden von Königswinter gedreht hatte. Darin hieß es: "Wäre das Versteck aufgeflogen, es wäre nicht nur das Ende der Versteckten gewesen, sondern auch das der Beschützerin. Und dennoch, in dieser Kenntnis, ließ sie sich auf die Gefährdung ein."

Von Anfang des Jahres 1945 bis zur Ankunft der amerikanischen Truppen im März bot Wilma Groyen ihrer Freundin Unterschlupf vor den nationalsozialistischen Häschern. "Damals ging alles drunter und drüber. Wir hatten auch ausgebombte Verwandte aus Köln aufgenommen", erinnerte sich Ruth van Essen. Sie war damals 18. Ihr Bruder Emil war zu Schanzarbeiten an der Front verpflichtet. Ihr Vater Günter Groyen war zu Hause. "Von Vorteil war sicher, dass unser Wohnhaus ziemlich allein stand." Aber das Dramatische: In dem großen Keller des Gebäudes hatte sich auch eine Batteriebefehlsstelle der deutschen Wehrmacht verschanzt.

Nur eine Holztür trennte die Versteckten und die Soldaten. Beim Beschuss von der anderen Rheinseite her suchten alle Bewohner des Hauses an der Königswinterer Straße 5 (heute 246) Schutz im Keller. "Auch unsere Verwandten wussten, was bei uns vor sich ging. Alle halfen, das zu vertuschen. Wir achteten darauf, dass stets die Türen geschlossen waren, um unvorhergesehenen Besuch fernzuhalten. Auch auf dem benachbarten Trillhaase-Grundstück hielten sich Soldaten auf", erzählte Ruth van Essen. "Ich glaube, meine Mutter hat die Sorgen nicht an sich herangelassen. Sie war einfach nur für die Freundin da."

Kennengelernt hatten sich die beiden Frauen nach dem Umzug von Wilma Groyen von Duisburg nach Königswinter der Liebe wegen. Sie hatte 1925 geheiratet. So wie Martha Steeg auch. Damals war die Tochter des jüdischen Fleischerehepaares Levy aus Oberdollendorf zum katholischen Glauben ihres Ehemannes Friedrich Steeg konvertiert. Das verschonte sie allerdings nicht vor der Verfolgung durch die Nazis im dritten Reich. Im September 1944 wurden Martha und Günther Steeg verhaftet. Während Martha Steeg in ein Arbeitslager bei Kassel transportiert wurde, kam Günther als noch nicht 16-Jähriger frei.

Friedrich Steeg, für den eine ihm von den Nazis nahegelegte Scheidung nicht in Frage kam, verlor seine Arbeit und musste bereits vorher den Gau Köln-Aachen verlassen. Es gelang ihm durch eine Informantin aus der Gestapo-Leitstelle Köln, den Aufenthalt seiner Frau zu ermitteln und sie auf heimlichen Wegen aus dem Lager zu Wilma Groyen zu bringen. Bald darauf suchte auch Sohn Günther dieses Versteck auf. Ruth van Essen: "Als die Amerikaner da waren, begleitete meine Mutter Martha Steeg und Günther nach Hause."

Die Freundschaft beider Frauen hielt bis zum Tod. Martha Steeg starb 1992 mit 91, drei Jahre später folgte ihr Wilma Groyen im Alter von 95 Jahren. Zwei Schülerinnen aus Klasse 10c des CJD haben Wilma Groyen zu ihrer Heldin auserkoren. Alena Bail und Ricarda Hencke wollen sich mit dem Thema an dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten "Helden - verehrt, verkannt, vergessen" beteiligen.

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