Gericht nennt Mordversuch rassistisch motiviert

Richter sieht brutalen Überfall auf türkisches Ehepaar in Mondorf vor ausländerfeindlichem Hintergrund - Der 19-Jährige soll während der Jugendstrafe seine Ausbildung beenden können

Niederkassel. Wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung hat die Bonner Jugendkammer am Mittwoch einen 19-Jährigen zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der junge Mann hatte am 26. November 2000 in Mondorf zunächst ein türkisches Ehepaar beschimpft, dann brutal mit dem Schlagstock zugeschlagen und dem Mann schwere Kopfverletzungen zugefügt. Die Kammer hält die Tat für rassistisch motiviert.

"Was hier vorgefallen ist, steht in deutlichem Gegensatz zum sonstigen Leben des Angeklagten", sagte der Vorsitzende Richter Klaus Haller zur Urteilsbegründung. Der 19-Jährige stand zum ersten Mal vor Gericht. Er absolvierte zur Tatzeit eine Ausbildung und hatte einen festen Freundeskreis.

Früher sei er jedoch oft wegen seiner Hasenscharte gehänselt worden. Er hatte sich zahlreichen Operationen unterzogen, habe Probleme in der Schule gehabt und schon als 13-Jähriger Alkohol getrunken. Den gewalttätigen Übergriff des Angeklagten bezeichnete die Kammer als "massives Augenblicksversagen". Gleichwohl sei Ausländerfeindlichkeit schon länger unterschwellig vorhanden gewesen. "Er vertrat die Auffassung, Ausländer sollten sich hier nicht allzu sehr breit machen."

Am Nachmittag und abends vor der Tat war der junge Mann mit Freunden von Party zu Party gezogen. Gegen 0.30 Uhr saß er schließlich mit anderen Jugendlichen auf einer Bank vor einem Geldinstitut. Ein türkisches Ehepaar kam vorbei und wollte sich im Vorraum der Bank unterstellen, um im Trockenen auf den Bus zu warten.

Laut Gericht habe der Angeklagte dem Paar sinngemäß hinterhergerufen: "Pack, ihr stinkt." Damit nicht genug. Der 19-Jährige ging in die Bank, holte sich zunächst einen Kontoauszug und setzte seine Provokation fort. Die Frau ignorierte seine Bemerkung "Du stinkst", doch ihr 41 Jahre alter Mann entgegnete: "Wenn wir stinken, dann geh doch raus." In diesem Moment sei die latente Ausländerfeindlichkeit vollends hervorgebrochen, befand das Gericht.

Zeugen bestätigten, dass der 19-Jährige das Ehepaar mit ausländerfeindlichen Parolen beschimpfte. Er selbst gab an, sich nicht mehr an das Gesagte erinnern zu können, wollte die Beschimpfungen aber nicht ausschließen. Als das verängstigte Ehepaar die Bank verließ, griff der Angeklagte zum Schlagstock und den Mann an.

"Er hat den Tod zumindest billigend in Kauf genommen, indem er mit einer gefährlichen Waffe auf den Kopf zielte", sagte Haller. Sätze wie "Ich bring dich um" und "Ich schlag dich tot" hätten das unterstrichen. Versuche der Freunde, den Schläger zurückzuhalten, schlugen fehl. Erst als ein älteres Ehepaar und Nachbarn eingriffen, ließ der 19-Jährige von seinem Opfer ab und flüchtete. Polizisten nahmen ihn wenig später fest. Der 41-Jährige erlitt Prellungen und tiefe Kopfwunden.

Der Angeklagte hatte vor Gericht ausgesagt, er habe nicht versucht, den Türken zu töten. Die Richter sahen jedoch ein "großes Aggressionspotenzial" und einen niedrigen Beweggrund. "Man muss die Dinge beim Namen nennen. Er unterscheidet sich nicht von weiten Bevölkerungskreisen, in denen eine latente Ausländerfeindlichkeit zum Gedankengut gehört." Der Angeklagte habe zwar Reue gezeigt, aber bei einer solchen Tat verbiete sich eine Bewährung. Die Kammer hält deshalb eine Jugendstrafe von drei Jahren für angemessen. Sie will dem jungen Mann aber ermöglichen, im offenen Vollzug seine Ausbildung fortzusetzen.

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