Flüchtlinge in Troisdorf Gestern Turnhalle, heute Notunterkunft

TROISDORF · Für das Land NRW wird es immer schwieriger, ankommende Flüchtlinge unterzubringen. Weil die regulär 24 landeseigenen Einrichtungen überfüllt sind, entstehen nun immer mehr Notunterkünfte. Die Kommunen werden über ihre jeweiligen Bezirksregierungen aufgefordert, Räume für die Erstaufnahme der Neuankömmlinge bereitzustellen - und das sehr kurzfristig.

Nach Angaben der federführenden Bezirksregierung Arnsberg bestehen zurzeit 40 Notunterkünfte landesweit. Etwa die Hälfte davon sei allein in dieser Woche entstanden, so Sprecher Christian Chmel-Menges am Freitag auf Anfrage "Wir sind aufgrund der aktuell hohen Flüchtlingszahlen auf Provisorien angewiesen." Im Juli seien pro Woche 5000 Flüchtlinge ins Land gekommen, ein Ende dieses Trends sei nicht erkennbar. Seit Anfang des Jahres kamen nach Angaben der Landesregierung insgesamt 77.000 Flüchtlinge nach NRW. Zum Vergleich: 2012 waren es im ganzen Jahr 15.000.

So stand die Stadt Troisdorf dieser Tage vor der Herausforderung, in nur 48 Stunden eine Notunterkunft für 100 Flüchtlinge zu schaffen. Die Bezirksregierung Köln hatte am Mittwochnachmittag angekündigt, dass im Rahmen der Amtshilfezuweisung nur einen Tag später 150 Flüchtlinge zur Unterbringung nach Troisdorf gebracht würden. In einem Telefonat konnte die Stadt nach eigenen Angaben erreichen, lediglich 100 Flüchtlinge aufnehmen zu müssen und auch erst ab Freitag.

So wurde die Dreifachturnhalle in Windesweile als Schlafraum hergerichtet. Dazu hat das Deutsche Rote Kreuz die Logistik übernommen. Es mussten Notausgänge eingerichtet und für den Brandschutz gesorgt werden. Spanische Wände sollen helfen, "ein Mindestmaß an Intimsphäre zu wahren", erklärte Troisdorfs Sozialdezernent Stephan Kuhnert. Je zwei Mitarbeiter des Sozialamtes sind schichtweise 24 Stunden als Ansprechpartner im Einsatz, zusätzlich sind Feuerwehr, Polizei und ein Wachdienst eingeschaltet.

Herkunft unbekannt

Verschärft wird das Problem der Unterbringung und Versorgung dadurch, "dass die Menschen im Rahmen der Erstaufnahme zu uns kommen", so Kuhnert. Das bedeute, sie werden - so das eigentliche Verfahren - nicht aus einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes der Kommune zugewiesen. Vielmehr kommen sie auf direktem Weg.

Ob von einem Flughafen oder einer Grenze, war der Troisdorfer Verwaltung am Freitag noch völlig unbekannt. "Wir wissen weder, woher die Flüchtlinge kommen, noch, welche Nationalität sie haben, wie alt sie sind, ob es sich um Frauen, Männer oder Familien handelt und ob Babys darunter sind", sagte der Erste Beigeordnete Heinz Eschbach.

Unklar ist auch der gesundheitliche und psychische Zustand der Ankommenden. Neben der allgemeinen Registrierung ist ein Gesundheitscheck obligatorisch, zu dem unter anderem eine Untersuchung auf Tuberkulose gehört. Das geschieht normalerweise in den Erstaufnahmestellen des Landes in Dortmund, Bielefeld, Unna, Burbach und Bad Berleburg - die aber längst keine Kapazitäten mehr haben. Inzwischen werden die Untersuchungen in den Notunterkünften durchgeführt. So ist im Falle von Troisdorf auch das Gesundheitsamt des Rhein-Sieg-Kreises eingebunden.

"Zumutung für betroffene Kommunen"

Kuhnert und Eschbach kritisierten die Landesregierung scharf: "Diese kurzfristigen Zuweisungen sind eine Zumutung für alle betroffenen Kommunen." Früher seien Wochen zwischen Zuweisung und Ankunft der Flüchtlinge vergangen, "dann Tage, jetzt Stunden", so Eschbach. Das System stehe vor dem Kollaps.

"Der logistische Aufwand vor Ort ist erheblich", räumt Chmel-Menges ein. Doch den müssten auch die Landesbehörden bewältigen, bei immer knapper werdenden Kapazitäten. Die bestehenden 11.000 Plätze in Landeseinrichtungen reichten nicht mehr aus. So müssten neben den 24 regulären Dauerunterkünften des Landes weitere Räume beschafft werden, die vorübergehend genutzt werden sollen. "Diese Notunterkünfte werden vom Land finanziert", so der Sprecher.

Deshalb hätten die Bezirksregierungen zuerst kreisfreie Städte angesprochen, im zweiten Schritt dann größere kreisangehörige Städte - wie Troisdorf, wo die Turnhalle für drei Wochen als Auffanglager fungieren soll. Es sei vom Land gewünscht, dass in Turnhallen nach den Sommerferien wieder Schul- sport stattfinden kann, so Chmel-Menges weiter. Sollte der Zustrom von Flüchtlingen weiter anhalten, kommen Zeltstädte oder schnell zu errichtende Fertigteil-Bauten als Alternativen in Betracht.

Im Regierungsbezirk Köln befinden sich aktuell acht Flüchtlingsunterkünfte des Landes. Vier weitere befinden sich im Aufbau, darunter die ehemalige Ermekeilkaserne in Bonn, die im August bezugsfertig sein und 300 Menschen Platz bieten soll.

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