Große Freude über kleine Fortschritte

Der Heilpädagogische Kindergarten der Stadt Bonn auf dem Heiderhof feierte sein 30-jähriges Bestehen mit einem Sommerfest - Wochentags bietet die Einrichtung 36 Kindern ein Zuhause

  Hoch her ging`s  bei der Feier zum 30. Geburtstag des Heilpädagogischen Kindergartens auf dem Heiderhof.

Hoch her ging`s bei der Feier zum 30. Geburtstag des Heilpädagogischen Kindergartens auf dem Heiderhof.

Foto: Volker Lannert

Heiderhof. Im Heilpädagogischen Kindergarten am Pappelweg sitzen sechs hungrige Löwen am Frühstückstisch. Das Obst, der Saft, die mitgebrachten Brote, alles verschwindet alsbald in den kleinen Mündern. Regelrecht zahm sind sie jetzt, die sechs Löwen. Dabei war im Löwenraum vor dem Essen noch mächtig was zu Bruch gegangen. "Da war halt der Wichtel da und hat`s kaputt gemacht", hat Fabian sofort als Erklärung bereit.

Das pfiffige Bürschlein, das einst als extrem hyperaktiv aus dem Regelkindergarten hierher geschickt worden war, könne nun im Herbst in eine normale Grundschulklasse wechseln, freuen sich die Erzieherinnen Claudia und Bianca Heinrichs. Sandra dagegen, die Kleine mit den traurigen Augen, die sich ständig an ihre Gruppenleiterin kuschelt, wird wohl auch mit sechs Jahren immer noch nichts sagen können. Aber eben lächeln, so wie jetzt auf die Feststellung: "Du bist ja ein richtiger Schmusebär".

In diesen Kindergarten kommen zum einen Drei- bis Sechsjährige mit Wahrnehmungsstörungen, die also für ihr Alter einen Entwicklungsrückstand aufweisen, erklärt die kommissarische Leiterin Katrin Wollsiefen. Dann seien immer mehr Kinder mit sozial-emotionalen Schwierigkeiten dabei, die massive Verhaltens- und Sprachauffälligkeiten zeigten, weil ihr Zuhause nicht intakt sei. Und natürlich Altersgenossen mit körperlichen und geistigen Defiziten, auch schwerstbehinderte Kinder, die trotzdem bei den Käfern, Fröschen, Vögeln, Walen und Löwen Unterschlupf finden.

"Wird mein Kind denn hier wieder normal?", fragen oft ängstliche Eltern bei der Anmeldung. "Da können wir dann nur sagen: In jedem Kind steckt eine Menge drin, was wir anfangs nicht wissen", so Wollsiefen. Es stehe jedem Kind alles offen, wenn man es nicht primär nach seinen Defiziten betrachte, sondern sein Selbstwertgefühl, seine Selbstständigkeit und sein Sozialverhalten fördere. "Aber nicht selten müssen wir uns auch eingestehen: Da tut sich kaum mehr was. Dieses Kind müssen wir annehmen, so wie es ist".

Wie etwa den vierjährigen Stefan. In der Vogelgruppe bekommt er mit anderen schwerstbehinderten Kindern besondere Aufmerksamkeit. Stefan hält sich im Stehständer, wird von Praktikantin Elisabeth Kries gefüttert, gewickelt, gewaschen. "Heute hat Stefan aus dem Becher getrunken und sogar das Bananenstück selbst zum Mund geführt", verzeichnet die junge Frau akribisch jeden kleinen Fortschritt ihres Schutzbefohlenen. Stefan spürt die freudige Stimmung um ihn herum, reißt die Arme hoch und versucht so etwas wie einen Jubelschrei. "Die Kinder fordern uns aber auch sehr", weiß Katrin Wollsiefen.

"Das ist kein lauer Job, wo wir so ein bisschen mit den Kindern rumspielen", widerlegt die Leiterin ein Vorurteil. Dieses entstehe, wenn man die mit 20 Mitarbeitern hohe Quote an Erziehern, Sozialarbeitern, Therapeuten und Ziwis kurzsichtig auf die 36 zu betreuenden Kinder umrechne. "Wir müssen ständig auf Grenzüberschreitungen eingehen, Werte vermitteln, Orientierung geben - eine intensive Beziehungsarbeit". Für die man auch auf eine enge Kooperation mit den Eltern, dem Jugendamt und Fachärzten angewiesen sei. Und das seit 30 Jahren.

"Im Frühling starb unsere langjährige Leiterin Gabi Brandt, so dass unser Jubiläums- und Sommerfest nicht ganz so fröhlich ausfällt", sagt die Nachfolgerin. Und wendet sich wieder Nina zu. Die Kleine mit dem Downsyndrom bietet ihr gerade freundlich den Stuhl zur Rechten an. Und dazu eine Kostprobe ihres Butterbrots: "Beiß mal!"

Kontakt: (0228) 2 10 69.

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