Halloween ganz abseits vom Dämonenkult

"Totengeister und Ewigkeit" im Bonner Münster - der Vorabend zu Allerheiligen stieß auf großes Interesse - Experten gingen den Ursprüngen von Halloween auf den Grund

Halloween ganz abseits vom Dämonenkult
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Ein feiner Nebel senkt sich herab auf den Kreuzgang des Bonner Münsters. Gespenstisch? Vielleicht wäre es das, wenn dies ein Schauspiel, eine Halloween-Feier wäre wie jede andere, wo Menschen der Lust am künstlichen Grauen frönen. Oben illuminieren Grableuchten die Arkaden, unten säumen, leicht fröstelnd, hunderte Menschen die Wege. Und außerdem gibt es noch Kürbisse als Dekoration und am Ende des Abends in einer Suppe.

Auch wenn sich die Veranstaltung keinesfalls als Kopie des lustvollen Spuks zu Halloween verstand, so mochten die Veranstalter - das Katholische Bildungswerk, die Citypastoral und der Landschaftsverband Rheinland - auf ein wenig stilechtes Dekor nicht verzichten. Nur eben ganz dezent.

Das war es dann aber auch schon mit der Halloween-Anspielung beim Abend mit dem Titel "Totengeister und Ewigkeit". Keine als Geister verkleideten Menschen huschen durch die Kirche, auch keine sinistren Beelzebuben, wie sie am Vorabend von Allerheiligen durch die Straßen Bonns taumeln.

Gruseln soll sich niemand, besinnen schon bei dieser Premiere einer Halloween-Feier in einer Kirche. Stimmungsvoll und wohlabgewogen ist der Abend: Die meditativen Saxophon-Soli von Michael Neuhalfen und die gregorianischen Gesänge der Münsterschola schaffen gleitende Übergänge, führen die Besucher zunächst vom Kreuzgang in die Kirche, wo etliche Kerzen vor dem herrlichen Halbrund der Apsis flackern. Fragend, zweifelnd ruft das Instrument in den Raum, die Orgel unter Professor Wolfgang Bretschneider sucht seine Nähe, mahnend und gewaltig - ein intensives Erlebnis.

Abseits vom Fratzen- und Dämonenkult erhält Halloween an diesem Abend ein Gesicht: Wo liegen die Wurzeln, was macht es so interessant? Gleich drei Experten bemühen sich um Antworten. Fritz Langensiepen vom Amt für Rheinische Landeskunde (ARL) reflektiert über die Magie des Alltags. Der Mensch benötige die "Durschschnittlichkeit des Gewohnten", um sich sicher fühlen zu können. Ereignisse wie der 11. September katapultierten ihn jäh aus dem Alltag, der auch Verdrängung bedeute. Halloween sei ein befreiendes Ventil, das Ängste vor Tod und Verdammnis karikiere. Gerade im Rheinland finde der amerikanisierte Brauch starken Anklang. "Die Magie ist die Stärke des rheinischen Alltags - die Verwandlung des Grummelbruders in eine Frohnatur."

ARL-Mitarbeiter Alois Döring geht den Ursprüngen aus volkskundlicher Perspektive auf den Grund. Hartnäckig halte sich der Glaube der ausschließlich heidnisch-keltischen Genese. Dabei habe der heidnische Entstehungsstrang lediglich die Folie gebildet für den Brauch, dessen Geschichte als Vorabend von Allerheiligen - im Englischen "All Hallows'' Evening" - seit über 1200 Jahren mit dem Christentum verbunden sei.

An der unauflöslichen Verbindung von Allerheiligen und Allerseelen lässt Josef Herberg keinen Zweifel. Auf "Hoffnung" und "Glaube" gründe die Tradition der Gedenktage, so der Theologe und Leiter des Katholischen Bildungswerks. Halloween sei der "dritte Ton im Zweiklang von Allerheiligen und Allerseelen".

Entzündet und von den Besuchern mitgenommen werden nun die Kerzen, ein Feuer lodert hell auf im Kreuzgang. Ein schöner Kompromiss: das reinigende Feuer als christliches Symbol - es könnte an diesem düsteren Halloween-Abend aber auch böse Geister vertreiben.

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