"Hoffentlich liest es keiner"

Die Einschätzungen des aktuellen Verkehrsgutachtens durch Politiker und Initiativen klaffen weit auseinander.

Verein Lebenswerte Siebengebirgsregion: "Die Kommunalpolitik der Region sollte jetzt nicht wie die vergangenen 30 Jahre wieder unrealistischen Luftschlössern nachlaufen. Umweltminister Röttgen braucht gar nicht SPD und Grüne aufzurufen, jetzt auf Südtangenten-Kurs einzuschwenken.

Seiner schwarz-gelben Bundesregierung fehlt weder die Zustimmung der SPD noch die der Grünen für eine Südtangente, sondern viele Milliarden... Die Kommunalpolitik muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass sie nur mit einer grundlegend neuen Verkehrspolitik aus dem selbstverschuldeten Verkehrschaos herauskommt.

Ideen dafür gibt es, auch im neuen Gutachten, genug. Im übrigen fehlt in der neuen Fassung des Schlussberichts ein zentraler Satz aus der ersten Fassung: 'Vor dem Hintergrund der geringen Chancen zur Priorisierung der Vorzugsvariante in den Bundesverkehrswegefinanzierung werden erneut kostengünstigere, kleinere Maßnahmen in das Blickfeld der Entscheidungsträger rücken.'

  • Frank Thomas, Bonner FDP-Planungssprecher: "Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass das Verkehrsgutachten seit Oktober in der Schublade gelegen hat, während die Verkehrspolitiker der Region dringend darauf gewartet haben. Der Ennertaufstieg ist mittlerweile aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen, nachdem er die Region in unversöhnliche Lager gespalten hat. Das Ergebnis des Gutachtens wirft uns nun praktisch an den Ausgangspunkt dieser Diskussion zurück. Die FDP wird das Ergebnis des Gutachtens analysieren und sich dann positionieren."
  • Benedikt Hauser, CDU-Landtagsabgeordneter aus Bonn: "Nicht genug damit, dass ein Landesministerium fast ein Jahr auf einem Gutachten sitzt, weil die Ergebnisse nicht genehm sind. Nein, dann wird es auch noch klammheimlich, still und leise veröffentlicht, ganz nach dem Motto: Hoffentlich liest es keiner... Natürlich kann ich mir vorstellen, dass der Minister wenig Interesse hat, eine Studie vorzulegen, die den Bau neuer Straßen befürwortet. Schließlich ist man seitens der Regierung gerade dabei, einen absoluten Stillstand beim Infrastrukturausbau im Land herbeizuführen. Da passt die erneute Diskussion um einen Ennertaufstieg nicht ins Programm."
  • Martin Metz, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Rhein-Sieg-Kreistag: "Die Daten der Verkehrsuntersuchung sind teilweise zweifelhaft. So geht der Gutachter von einem Bevölkerungszuwachs für den Kreis von 40 000 Einwohnern bis 2025 aus, was eindeutig über den neuesten Prognosen liegt... Die Variantenuntersuchung ist unvollständig.Ungeklärt ist nach wie vor, wer einen Ennertaufstieg mit Kosten von prognostizierten knapp 200 Millionen Euro angesichts der Haushaltslage in Bund und Land finanzieren sollte. Außerdem wurden offenbar nur vier Maßnahmen im Straßennetz überhaupt untersucht, wovon drei als Varianten des Ennerttunnels zu sehen sind. Das ist nicht viel, kleinere realistische Ansätze fehlen. Schließlich sind die Aussagen des Gutachtens zu den angeblich geringen Potenzialen des ÖPNV wenig wert."
  • Dietmar Tendler, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Kreistagsfraktion: "Wir haben lange genug auf die Veröffentlichung gewartet. Jetzt werden wir dieses Gutachten prüfen, auswerten und mit den SPD-Fraktionen vor Ort besprechen. Nach jahrelangem Stillstand nun voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen, halten wir für kontraproduktiv."
  • Achim Baumgartner, Sprecher des BUND im Rhein-Sieg-Kreis: "Der Versuch, längst verworfenen Projekte wie den Ennertaufstieg, den Venusbergtunnel oder die Rheinbrücke bei Niederkassel wieder salonfähig zu machen, ist inakzeptabel. Das Gutachten hat insofern als Instrument, neue und konsensfähige Lösungen zu entwerfen, versagt."
  • Dieter Heuel, CDU-Kreisfraktionschef: "Am 10. Juni 1983 habe ich einem inzwischen verstorbenen Freund zum 50. Geburtstag ein Faksimile des General-Anzeigers vom Tag und gleichen Monats des Jahres 1933 geschenkt. Damals war das Hauptthema "Tieferlegung der Eisenbahnlinie". Schon damals hat man sich intensive Gedanken über die Verbesserung der Verkehrssituation gemacht. Heute beklagen die Bonner mit den zigtausenden Pendlern aus dem Umland die Zustände, die unbestreitbar unerträglich sind.Ich denke, es ist an der Zeit, ideologie- und vorurteilsfrei über die von einem renommierten Planungsbüro vorgelegten Vorschläge zu diskutieren. Dafür sollten wir uns aber nicht weitere 80 Jahre Zeit nehmen."
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