"Ich blickte in den Lauf seiner Waffe"

"Jetzt kann ich mittlerweile drüber lachen. Aber an dem Abend hatte ich Angst und war wie erstarrt." Juliane Steinebach, die derzeit eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert, jobbt seit einem Jahr noch nebenher als Kassiererin an der Shell-Tankstelle an der Bröltalstraße. Die Henneferin wurde das erste Opfer des "Blaumann-Räubers", der mehrere Tankstellen überfiel.

"Ich blickte in den Lauf seiner Waffe"
Foto: Ingo Eisner

Hennef. "Jetzt kann ich mittlerweile drüber lachen. Aber an dem Abend hatte ich Angst und war wie erstarrt", sagte Juliane Steinebach. Die 19-jährige Henneferin, die derzeit eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert, jobbt seit einem Jahr noch nebenher als Kassiererin an der Shell-Tankstelle an der Bröltalstraße.

Sie mag ihren Job, schließlich arbeiten außer ihr noch ihre Schwester, ihr Bruder und ihre Mutter dort. Zwei Mal pro Woche hält sie zwischen 18 und 22 Uhr Tankrechnungen ab, verkauft Süßigkeiten und Getränke und füllt Waren auf. Nie war sie in eine brenzlige Situation geraten. Bis zum 11. Januar 2011, als der "Blaumann-Räuber" ausgerechnet während ihrer Schicht seine Raubserie startete.

Die Überfall-SerieAm 11. Januar startete der 22-jährige sogenannte "Blaumann-Räuber", der mittlerweile in Untersuchungshaft sitzt, seine Überfallserie auf die Shell-Tankstelle an der Bröltalstraße in Hennef. Mit gezogener Waffe, bekleidet mit einer Blaumann-Hose und einem Kapuzen-Shirt sowie einem schwarz-weiß-karierten Tuch vor dem Gesicht, betrat der Täter gegen 20 Uhr den Verkaufsraum, bedrohte die Kassiererin, einen Kollegen und einen Kunden.

Nachdem die Angestellte ihm das Geld aus der Kasse sowie Zigaretten ausgehändigt hatte, verschwand er zu Fuß und blieb trotz intensiver polizeilicher Suche unentdeckt. Eine Woche später betrat der Räuber gegen 19.30 Uhr mit der gleichen Kleidung und erneut mit der Waffe in der Hand die gleiche Tankstelle, um sie wiederum um einige hundert Euro und Zigaretten zu erleichtern. Als er am 23. Januar kurz vor 20 Uhr zum dritten Mal an der Shell zuschlagen wollte, hatte die Polizei ihn dort bereits erwartet.

Als er die Beamten bemerkte, floh er zur Lindlahr-Tankstelle, wo er schließlich ebenfalls einen Angestellten mit der Waffe bedrohte. Robert Lindlahr, Pächter der Shell und der Lindlahr-Tankstelle, überwältigte den Täter. Eine Minute später traf die Polizei ein und nahm den Serienräuber fest.

"Ich weiß es noch genau, es war kurz nach 20 Uhr. Ich hatte kurz vorher auf die Uhr geschaut. Da kam plötzlich ein Mann mit Blaumannhose und einem schwarz-weißen Tuch vor dem Gesicht in den Verkaufsraum", erinnert sich Juliane Steinebach. Er hatte die Waffe bereits in der Hand, als er reinkam. Darum verbinde ich das Geräusch des automatischen Türöffners nach wie vor mit dieser Waffe", sagt die sympathische 19-Jährige.

Ein Kunde und ein Kollege seien ebenfalls anwesend gewesen. Der Täter sei schnurstracks zur Kasse gekommen, habe den Kunden und den Kollegen aufgefordert, sich auf den Boden zu legen. Dann sei er hinter die Kasse getreten und habe Steinebach die Waffe an den Kopf gehalten. "Ich hatte die Kasse noch offen und blickte in den Lauf seiner Waffe", erinnert sich Steinebach. "Geld rein" lautete das knappe Kommando des Täters, als er ihr eine Plastiktüte hinhielt, während er sie weiterhin mit der Waffe in Schach hielt.

"Ich war wie gelähmt, tat aber, was er von mir verlangte", sagt Steinebach. Sie stopfte Schein- und Münzgeld in die Tüte des Täters, der sich noch einige Schachteln Zigaretten aus dem Regal nahm und schließlich per Pedes verschwand. "Als er weg war, begann ich zu weinen und realisierte erst, was da eben passiert ist", sagte die Kassiererin. Ihr Kollege habe sofort den Chef Robert Lindlahr und die Polizei angerufen.

Noch am gleichen Abend musste sie ihre Zeugenaussage auf der Siegburger Polizeiwache machen. Da die Tankstelle inklusive des Verkaufsraumes videoüberwacht ist und die Polizei von Steinebach eine umfangreiche Täterbeschreibung bekam, gab es reichlich Anhaltspunkte. "Zunächst habe ich geglaubt, das sei ein schlechter Scherz. Ich dachte das wäre vielleicht ein Bekannter, der mich veräppeln will."

Dass dem nicht so war, erfuhr Juliane Steinebach eine Woche später, als der gleiche Täter die gleiche Tankstelle noch einmal überfiel. Diesmal musste eine Kollegin dem Blaumann-Räuber das Geld aushändigen. Erleichterung herrschte bei Juliane Steinebach erst, als der Täter am 23. Januar an der benachbarten Tankstelle am Warther Kreisel von der Polizei dingfest gemacht werden konnte.

"Bis dahin hatte ich schon ein mulmiges Gefühl, als ich hinter der Kasse stand", sagte Steinebach. Um das Geschehene aufzuarbeiten, stand ihr die Familie bei. Schließlich arbeiten bis auf ihren Vater alle an der Tankstelle. Was in ihrer Tochter vorgegangen sein muss, als der Räuber Juliane die Waffe, die sich später als Gaspistole entpuppte, an den Kopf hielt, konnte Birgit Pfingst wohl am besten nachvollziehen.

Pfingst, die seit zwei Jahren als Kassiererin an der Shell-Tankstelle tätig ist, wurde im vergangenen Sommer ebenfalls Opfer eines Überfalls.

Ein bewaffneter Täter betrat während ihrer Frühschicht gegen 5 Uhr morgens den Verkaufsraum und erbeutete unter Waffengewalt Geld und fünf Stangen Zigaretten. "Ich fand das schrecklich, dass so etwas jetzt auch meiner Tochter passieren musste", sagte Pfingst. Beide scheinen allerdings so gefestigt zu sein, dass sie weiterhin gerne an der Tankstelle arbeiten. "Wir haben viel über das Geschehene gesprochen. Manchmal verfolgen einen solche Ereignisse auch im Traum", sagte Pfingst.

Dass der Blaumann-Räuber gefasst ist, dürfte für den Pächter und seine Angestellten eine Erleichterung sein. Laut Kreispolizeibehörde sei dies im Winter 2010/2011 allerdings bisher die einzige Raubüberfall-Serie gewesen. Ecki Gieseler, Sprecher der Kreispolizeibehörde, sagt, dass die Zahl der Tankstellenüberfälle im Kreisgebiet allgemein rückläufig sei. Den Angestellten rät er, in solchen Situationen den Anweisungen des Räubers Folge zu leisten.

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