Interview mit Kastellanin Brigitte Meiser "Ich habe die Anekdötchen live erlebt"

Brühl · Sie geht seit mehr als 40 Jahren in der Augustusburg ein und aus. Sie hat die Staatsempfänge verschiedener Bundespräsidenten vor und hinter den Kulissen miterlebt und so manches Anekdötchen zu den Führungen beigesteuert. Brigitte Meiser (61) ist Kastellanin der Brühler Schlösser. Im Gespräch mit dem General-Anzeiger erzählt sie über ihre Tätigkeit und ein besonderes Erlebnis mit der Queen.

 Brigitte Meiser in ihrem Lieblingsraum im Schloss Augustusburg: dem Sommerspeisesaal.

Brigitte Meiser in ihrem Lieblingsraum im Schloss Augustusburg: dem Sommerspeisesaal.

Foto: Antje Jagodzinski

Gehen Sie hier schon mal alleine durch die Räume?
Brigitte Meiser: Ja klar, ständig. Eine meiner Aufgaben als Kastellanin ist es, darauf zu achten, dass alles in Ordnung ist, dass keine Schäden entstanden sind oder gar im Besichtigungsbetrieb etwas gestohlen wurde.

Ist das für Sie völlig normal oder doch etwas komisch, so in den leeren Räumen des Kurfürsten?
Meiser: Nein, ich bin das ja gewöhnt. Ich habe 1972 als blutjunge 18-jährige Studentin als Aushilfs-Schlossführerin hier angefangen, sprich ich kenne das Ganze jetzt über 40 Jahre und war seit 1975 fest angestellte Fremdsprachenführerin für Englisch und Französisch.

Seit wann sind Sie Kastellanin?
Meiser: Seit 1992, wobei der Übergang fließend war. Weil der Vorgänger längere Zeit krank war, habe ich das schon kommissarisch gemacht. Und dann bin ich da reingerutscht. Erst wollte ich nicht. Es ist eine Aufgabe, die verbunden ist mit 'ner Menge persönlichem Einsatz, Tag wie Nacht.

Nachts?
Meiser: Ja klar. Wenn die Meldung kommt, hier ist ein Wasserrohrbruch, das Winterquartier steht unter Wasser, kann ich ja nicht sagen, da kümmern wir uns morgen drum. Bei solchen Geschichten steigen Sie innerhalb von zwei Sekunden in Ihre Jeans und sind fünf Minuten später vor Ort.

Dann haben Sie hier also mit Wasser geschöpft?
Meiser: Ja, und wie! Das muss so Mitte der 90er gewesen sein. Oder die Feuerwehr ruft an: Es war Gewitter mit schwerem Hagel, da wurde der Brandalarm ausgelöst, obwohl es zum Glück nicht gebrannt hat.

Was ist denn eigentlich eine Kastellanin?
Meiser: Also der Name leitet sich ab vom römischen Kastell, und im Mittelalter war der Kastellan der Burgvogt oder der Aufsichtsbeamte in der Burg. Daher kommt der Ausdruck, aber ich bin nicht verbeamtet. Wenn man im Lexikon nachschaut, dann steht da schon mal Schlossverwalter, aber ich bin nicht Chefin der Schlösser, sondern, wie man heute so schön sagt, die Fachbereichsleiterin und habe über mir den Leiter der Schlossverwaltung.

Was sind Ihre Tätigkeiten?
Meiser: Ich bin unter anderem dafür zuständig, dass der Besichtigungsbetrieb in den Schlössern organisiert ist, schreibe für die drei fest angestellten Schlossführerinnen sowie die 43 studentischen Aushilfskräfte die Dienstpläne, bin zuständig für die Abrechnung der Kassen, den Verkauf im Museumsshop und die Einteilung des Pflegepersonals für die Säuberung des Schlosses, und ich erstelle das Themenführungsprogramm.

Welche Themenführung ist denn besonders schön?
Meiser: Alle, ohne Ausnahme! Sehr beliebt ist die Führung "Anekdoten und indiskrete Plaudereien vor und hinter den Kulissen von Staatsempfängen". Zwischen 1949 und 1996 haben hier ja regelmäßig die Staatsempfänge des Bundespräsidenten stattgefunden.

Was ist Ihnen von dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?
Meiser: Die viele Arbeit (lacht). Denn alle Räume, die regulär zu besichtigen sind, wurden für Staatsempfänge benutzt. Das bedeutet, jedes Mal mussten fast die kompletten historischen Ausstellungsstücke weggeräumt werden, auch die richtig schweren Möbel, Kommoden mit Marmorplatten und allem drum und dran.

Haben Sie auch Anekdötchen zur Themenführung beigesteuert?
Meiser: Ja, die Führung habe ich ursprünglich entwickelt, die Anekdötchen habe ich live erlebt.

Erzählen Sie doch mal eine!
Meiser: 1978, zweiter Staatsbesuch von Queen Elizabeth. Damals war es üblich, dass es nach dem Bankett ein festliches Konzert im großen Prunktreppenhaus für die circa 300 geladenen Gäste gab. Die Königin sollte auf besonderen Sesseln sitzen. Und da kam man auf die Idee: Wir haben doch fürs Paradeschlafzimmer rotsamtene Prunksessel als Repliken nachfertigen lassen. Ich habe die Sessel mit einer Kollegin zusammen getragen. Ich hatte eine weiße Jeans an und da, wo der Sitz an der Jeans scheuerte, war die Jeans rot. Also habe ich gewarnt: Wenn die englische Königin nach dem Konzert wieder aufsteht, hat sie einen roten Popo.

Und dann?
Meiser: Dann hieß es: Egal wie ihr das schafft, macht die Sessel so parat, dass sie nicht mehr abfärben! Also haben wir mit Möbelbürsten geschrubbt und gesaugt und wieder geschrubbt und Probe gesessen. Und es kam, wie es kommen musste, die Queen trug ein helles Kleid. Ich habe nur gedacht, hoffentlich geht das gut.

Und ging es gut?
Meiser: Ich habe ganz gespannt auf den Moment gewartet, wo sie wieder aufsteht und applaudiert, um auf den Popo zu gucken - und Gott sei Dank, er war weiß!

Das Prunktreppenhaus kennen viele. Welcher ist Ihr Lieblingsraum im Schloss?
Meiser: Der Sommerspeisesaal, einfach weil meine Lieblingsfarbe Blau ist. Der Saal ist speziell für die heiße Jahreszeit mit weiß-blauen Fliesen bis zur Decke ausgestattet und anstelle von Holzfußboden mit Marmor, also tatsächlich und farblich kühl gehalten.

Könnten Sie sich vorstellen, zur Zeit des Kurfürsten zu leben?
Meiser: Nein. Die fehlenden bequemen Einrichtungen, die wir heutzutage haben, möchte ich nicht missen. Das fängt an bei der Körperpflege, was damals ja recht kompliziert war. Oder auch die Elektrik, es gab ja nur Kerzen. Und man denke an die Mode, das enge Einschnüren der Damen, gerade zur Zeit des Rokoko, und an die gesellschaftlichen Zwänge.

Was hat Sie eigentlich als 18-Jährige hier ins Schloss geführt? War es die Faszination für die Kunst?
Meiser: Nein, das war ganz pragmatisch (lacht). Ich hab' schlichtweg zwischen Abitur und Unibeginn einen Ferienjob gesucht und habe mich bei verschiedenen Firmen beworben. Und auf dem Rückweg vom Phantasialand schoss mir auf einmal durch den Kopf: Mensch, das Schloss. Du willst Geschichte studieren, vielleicht haben die einen Job für dich. Und dann bin ich hier rein und hab' nachgefragt. Der Chef hatte aber keine Zeit und meinte, ich soll eine Postkarte schreiben.

Und das haben Sie gemacht?
Meiser: Ja, ich bin dann nach Hause und da fiel mir ein, du hast den Namen des Mannes vergessen. Also habe ich geschrieben: Sehr geehrter Herr, Klammer auf, Ihren Namen habe ich vergessen, Klammer zu (lacht). Zwei Tage später klingelt's bei uns an der Haustür, und der damalige Leiter der Schlossverwaltung steht vor der Tür, ich solle in seinem Büro vorsprechen. Und da sagte er dann: "Ihre Postkarte, die zeugte von dem nötigen Selbstbewusstsein. Sie sind schon engagiert."

Die Schlösser

Die Brühler Schlösser zählen zum Unesco-Weltkulturerbe. Augustusburg ist nur im Zuge einer Führung zu besichtigen, Falkenlust dagegen in der Regel ohne Führung. Jeweils besondere Schwerpunkte setzen die sogenannten Themenführungen. Mehr unter www.schlossbruehl.de.

Zur Person

Brigitte Meiser (61) ist seit 1992 Kastellanin der Schlösser Augustusburg und Falkenlust. Bis zu ihrer Festanstellung als Fremdsprachenführerin 1975 hat sie Geschichte an der Uni Bonn studiert. Die Brühlerin wohnt mit ihrem Mann in einer Dienstwohnung am Schloss Augustusburg.

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