Asylbewerber in der Bonner Poliklinik "Ich vermisse meine Familie sehr"

BONN · Amir Alhamdis einziger Luxus ist sein Handy. Unentwegt wischt er über das Display und spielt Musik. Kaum hört er vertraute Klänge, ist das Heimweh zurück. "Ich vermisse meine Familie sehr", erzählt der 30-Jährige, der vor zwei Monaten aus dem Irak nach Deutschland kam.

 Genan Mahamood (links) und Ali Ideed sind aus dem Irak geflüchtet. Mit ihren drei Kindern sind sie jetzt in der ehemaligen Bonner Poliklinik untergebracht.

Genan Mahamood (links) und Ali Ideed sind aus dem Irak geflüchtet. Mit ihren drei Kindern sind sie jetzt in der ehemaligen Bonner Poliklinik untergebracht.

Foto: Barbara Frommann

Alhamdi ist in der ehemaligen Poliklinik an der Wilhelmstraße untergebracht. "Ich sitze den ganzen Tag hier draußen auf der Mauer. Was soll ich sonst auch tun?", bemerkt er melancholisch. In sein Zimmer geht er tagsüber nur ganz selten. "Wir leben zu sechs Männern in einem kleinen Raum. Ich kann die Enge nicht ertragen. Ich muss raus", so der gelernte Schneider.

Doch nicht nur die Lebensumstände zehren an seinen Nerven. "Ich bin krank, es geht mir wirklich nicht gut", ergänzt er. "Alles wäre einfacher zu ertragen, wenn ich ein kleines Zimmer nur für mich alleine hätte." Für die Zukunft hat der 30-Jährige bereits ganz konkrete Pläne. "Ich will schnell die Sprache lernen, heiraten, Kinder haben und in einem kleinen Haus leben. Das ist mein großer Traum."

Genan Mahamood und Ali Ideed sind mit ihren drei Kindern ebenfalls in der ehemaligen Klinik untergebracht. Die Familie lebt in einem Zimmer. Im Irak hat die 42-Jährige als Geografielehrerin gearbeitet. Zwar hat sie die abenteuerliche Flucht aus Bagdad mit Mann und den 19, 17, und 14 Jahre alten Kinder gut überstanden, doch den eintönigen Lebensablauf kann sie kaum ertragen. "Es ist schwer, wenn man nichts zu tun hat. Früher war der ganze Tag ausgefüllt", schildert sie. "Aber", überlegt sie, "hier in Deutschland feiert man doch jetzt Weihnachten. Das Fest kennen wir auch aus dem Irak. Dann werden doch viele Wünsche erfüllt." Lange überlegen muss man nicht, welcher Traum für sie wahr werden soll. "Ich möchte hier Arbeit finden und hoffe, dass meine Kinder eine gute Ausbildung erhalten und glücklich sein werden."

Hals über Kopf haben Saad Algadi und Mouna Alhasani ihre Heimat Irak verlassen. Die beiden Journalisten wurden politisch verfolgt und mit dem Tod bedroht. Im Irak führten sie ein angenehmes Leben, gehörten zur gehobenen Mittelschicht. "Hier sind wir in einem sehr kleinen Zimmer untergebracht", sagt Saad Algadi. "Das ist zwar nicht das Leben, das wir bisher geführt haben, aber wir sind in Sicherheit. Das ist die Hauptsache." Trotzdem: "Wenn wir jetzt sehen, wie die Menschen gemeinsam mit ihren Familien feiern, dann wird uns schon bewusst, dass wir viele Angehörige und Freunde zurückgelassen haben. Diese Tage sind nicht einfach für uns."

An das Wetter mussten sich Eymen Hassan und seine Frau Leile Khalil erst gewöhnen. "So kalt wie hier ist es in Syrien nicht", sagt der 33-Jährige und zieht den Reißverschluss seiner Windjacke hoch. "Aber das ist kein Problem. Wir haben auf unserer Flucht Schlimmeres durchgemacht", so der Raumausstatter, der vor drei Monaten angekommen ist. "Schreiben Sie bitte, dass wir in Deutschland sehr gut aufgenommen worden sind. Wir haben nur Menschen getroffen, die uns helfen wollen. Dafür wollen wir uns bedanken."

Zwar ist auch Ghassan El Mahmoud froh, dass er unversehrt Syrien verlassen konnte, doch seine Freude ist getrübt. "Meine Frau und meine sechs Kinder sind noch in der Türkei. Ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde", schildert er. In wenigen Monaten wird sein siebtes Kind geboren. "Hoffentlich sind wir dann alle wieder vereint. Es ist wirklich schwer hier alleine zu sein", so der 42-Jährige. Oft sind bürokratische Hürden oder fehlende Papieren Grund dafür, dass sich Familien trennen mussten.

Was es heißt, weit entfernt von seinen Kindern zu leben, das weiß sein Zimmernachbar Mohamed Achmet ebenfalls aus eigener Erfahrung. Seit sechs Wochen ist der 31-Jährige in Deutschland, derzeit lebt er mit sieben Männern in einem kleinen Raum des ehemaligen Krankenhauses. Die beengte Lebenssituation und die ungewisse Zukunft quälen ihn tagein, tagaus.

Doch das Schlimmste sei, dass seine Frau und die beiden Kinder immer noch im Irak lebten und nicht in Sicherheit seien. "Meine jüngste Tochter ist vor zwei Monaten geboren, aber ich habe sie noch nie gesehen. Das macht mich sehr, sehr traurig. Ich denke jeden Abend an meine Frau und die Kinder", berichtet er mit leiser Stimme. In seiner Heimat hat er als Polizist gearbeitet. "Ich habe nur den Wunsch, dass meine Familie so schnell wie möglich nachkommt, damit wir alle zusammen in Frieden und ohne Angst leben. Mehr wollen wir doch gar nicht", so Mohamed Achmet. Wie genau dieser Familiennachzug funktionieren soll, das wissen die meisten Flüchtlinge noch nicht.

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