Im Atrium blüht der Flieder längst nicht mehr

Schon vor dem Bonner Metropol hat die Stadt viele Lichtspielhäuser kommen und auch gehen sehen - Poppelsdorfer Kinobetreiber verkaufte auch Stehplätze - Trickfilm mit "allererstklassigster Salonmusikkapelle"

  Vor dem Aus:  Der große Saal des Metropols soll kein Kino bleiben.

Vor dem Aus: Der große Saal des Metropols soll kein Kino bleiben.

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Bonn. "Erst gehen wir einen Kaffee trinken und dann ins Kino." So haben Generationen von Jugendlichen erste zarte Bande geknüpft. Und tun es heute noch. Ein erster Kuss in Reihe zehn: Damit allein lässt sich heute kein Geld mehr verdienen. Fernsehen, DVD und Internet verhelfen dem Pantoffelkino zu seiner Blüte. Viele große Lichtspielhäuser mussten mit den Jahren aufgeben, weil die Besucher ausblieben.

So geht auch im Metropol der Exodus weiter: Nach den zwei Kinosälen der Cinestar schließt auch das Bistro im Metropol, so die Auskunft der Inhaber. Wer noch einmal einen Kaffee mit Aussicht auf den Marktplatz trinken möchte, hat dazu voraussichtlich noch bis zum 31. März Gelegenheit.

Die Kinos Metropol A und B bleiben geöffnet, bis am 30. Juni der Mietvertrag mit dem neuen Besitzer des Metropols endet. "Wir würden gerne noch weitermachen", sagte Theaterleiter Berthold Welter. Die Kinos A und B mit insgesamt 300 Plätzen gehören nicht zu Cinestar, sondern zur Metropol Filmtheater Krüger GmbH und Co KG, die unter anderem Gangolf und Hansa betrieben hat - zwei von vielen Bonner Kinos, die inzwischen Geschichte sind.

Wie alles begann: Nach der Stummfilmzeit entstanden ab 1899 zahlreiche Filmtheater, als die Bilder auch sprechen lernten. Die Bonner Kinoszene machte 1908 von sich reden, als das Theater Universelle an der Bonngasse und das Sonnenkinema auf dem Marktplatz um die Gunst der Zuschauer kämpften. Letzteres entzündete einen Streit, als es die eigene Filmqualität und die "allererstklassigste Salonmusikkapelle" in den Himmel lobte und die Konkurrenz schlecht machte. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt: Der gepriesene Film der Zeppelinbrandkatastrophe von Echterdingen wurde als Trickfilm entlarvt.

Ins Kino zu gehen war früher ein Ereignis: Unzählige Spielstätten entstanden. So berichtete der General-Anzeiger etwa über die Eröffnung des Kinos Tannenbusch am 2. September 1959. Dort gab es Platz für 500 Zuschauer. "Auf der zwölf mal fünf Meter großen Leinwand kann jedes Bildformat vorgeführt werden." In Beuel öffneten und schlossen das Odeon und das Rheingold, in dem heute das Junge Theater untergebracht ist.

"Der Etappenhase" und "Die Kameliendame" gehörten ab 1938 zu den ersten Filmen im Union-Theater an der Clemens-August-Straße. Im Krieg wurde es zerstört, am 3. März 1949 eröffnete es wieder. 500 Sitzplätze gab es, Inhaber Gustav Veith ließ aber auch schon mal bis zu 100 Zuschauer mehr rein, die dann stehen mussten. 1978 war Schluss, als die gesamte Straße neu gestaltet wurde.

Viele Namen sind heute schon in Vergessenheit geraten. Nicht bei Rex-Betreiber Dieter Hertel, der sich etwa an das "schmuddelige" Scala in der Nordstadt erinnert. Um die Ecke habe es das Apollo mit Atmosphäre an der Maxstraße gegeben, "ein reines Nachspielkino". Beide Häuser seien dem Bau des Stadthauses zum Opfer gefallen. Zu den Vorkriegstheatern wie das 2000 geschlossene Gangolf am Bahnhof gehörte auch das Moderne Theater, später Atrium, an der Sternstraße.

Nach seiner Renovierung eröffnete es 1954 mit "Wenn der weiße Flieder wieder blüht". Der Saal mit 600 Sesseln war in Blau gehalten. "Elegant schwingt sich der Balkon in den Raum hinein", schrieb der GA. "Im Woki liefen Erstaufführungen im Filmkunstbereich", sagt Hertel. "Das gehörte zu den fünf bestbesuchten Kinos in Deutschland."

Als Bahnhofskino an der Gangolfstraße zeigte das Woki zudem ab 9 Uhr morgens ein Nonstop-Programm - etwa mit Fuzzy- oder Laurel-and-Hardy-Filmen. Heute trägt das alte Universum am Bertha-von-Suttner-Platz den Namen Woki. Hansa oder Atlantis - alle längst geschlossen.

Das gilt auch für die heutigen Kammerspiele in Bad Godesberg, in denen ab 1952 auch Filme gezeigt wurden. Damals wurden im Stadtteil noch mehr als eine Million Kinobesucher pro Jahr gezählt. Das Residenztheater, die Burglichtspiele oder lange vor Kinopolis City Cinema und Filmpassage an der Alten Bahnhofstraße: Dort werden schon lange keine Tickets mehr verkauft.

"Früher musste man ins Kino gehen, um Filme zu sehen", sagen Marcel Aniol und Bülent Aktas von der Endenicher Filmproduktion "a2". Sie können sich noch erinnern, wie Kinobetreiber Sony verklagen wollten, als die Firma die VHS-Kassette auf den Markt bringen wollten. Heute mache die DVD 40 Prozent des Filmumsatzes aus, 30 Prozent das Kino.

Der Rest werde über weitere Verwertungen wie Fernsehen verdient. Die Filmindustrie bekommt also immer etwas ab, die Kinobetreiber nur einen Teil des Kuchens. Aktas: "In den 50er Jahren gab es mal 800 Millionen Kinobesucher pro Jahr. Heute sind es 200 Millionen." Fehlt guter Stoff auf der Leinwand, würden auch weniger Karten verkauft. Doch was hilft? "Erst mal müssen die Filme besser werden", sagt Aktas. Er möchte im Kino zudem bequem sitzen, ein scharfes Bild sehen, "Ton und Lautstärke müssen stimmen".

Hertel kann es nicht fassen, dass jetzt das Metropol eingeht. Er denkt, dass sich die Stadt das eigentlich nicht leisten könne. "Kino ist ein kultureller und sozialer Ort, der eine starke Ausstrahlung in die nähere Umgebung hat." Ohne das Endenicher Rex wären Springmaus und Harmonie nicht da, vermutet er. Bonn zähle zu den attraktivsten Kinostädten in NRW. Das Metropol schließt trotzdem. Heimatforscher Helmut Uessem bleibt dann nur noch die Erinnerung, als er dort Clown Noni im Varieté sah und "Orpheus in der Unterwelt".

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