Führung durch Adenauers Wohnhaus In Büchern fand der Altkanzler Trost

RHÖNDORF · Zwischen Lyrik und Krimis: Bei einer Führung durch das Wohnhaus des Altkanzlers geht es um seine Lesevorlieben - und seine Gedächtnisstärke, die viele Besucher erstaunte.

"Weit über 50 Gedichte konnte Konrad Adenauer bis ins hohe Alter rezitieren." Das beeindruckte die Teilnehmer einer Themenführung der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus unter dem Motto "Adenauers Privatbibliothek" dann doch enorm. "Es gibt die Legende, dass er abends zwei Gedichte gelesen hat", erzählte Carsten Sick, Leiter des Besucherdienstes, beim Gang durch die Ausstellung und das Wohnhaus.

Auf Reisen hatte er stets Lyrikbände im Gepäck. "Lyrik war sein Lieblingsgenre. Und er soll sich selbst als Lyriker versucht haben, aber nur im Bekanntenkreis." Goethe, Heine, von Eichendorff, Mörike zählten zu seinen Lieblingsdichtern.

Als sich Adenauer 1894 als Student der Rechte an der Universität Freiburg immatrikulierte und dem katholischen Studentenverein Brisgovia beitrat, freundete er sich mit dem Studienkollegen Raimund Schlüter an. Sie blieben während ihres Studiums zusammen. Zum Wintersemester wechselten sie zur Universität München, 1895 nach Bonn. Sie wanderten in den Ferien durch Italien, besuchten gemeinsam Theater und Museen.

In München belegte Adenauer übrigens nicht nur juristische Kurse, sondern hörte auch Vorlesungen über Goethes Faust oder Shakespeare. Raimund Schlüter und Konrad Adenauer waren echte Freunde. Nach den Jahren als Referendare in Köln und dem Assessor-Examen folgte die Trennung: Adenauer blieb in Köln, der Bauernsohn aus Westfalen erhielt eine Anstellung am Gericht in Gmünd und verstarb wenige Wochen später. Der Tod des Freundes nahm Adenauer sehr mit.

Passagen mit Bleistift markiert

Um diese Zeit herum befasste er sich auch intensiv mit den Werken Carl Hiltys. Der am 28. Februar 1853 im Kanton Sankt Gallen geborene Philosoph hatte drei Bände über das Glück verfasst und damit einen großen publizistischen Erfolg erzielt. Seine Definition: Elemente des Glücks sind Gottesnähe und Arbeit. Diese Lektüre liegt in einer Vitrine in Adenauers Wohnhaus.

Adenauer hat Passagen mit Bleistift markiert. Carsten Sick: "Adenauers moralische Vorstellungen bauen auf Hiltys Werken." Und: "Damit beschäftigte sich Adenauer bis ins hohe Alter." Bei seinem Aufenthalt in Maria Laach nutzte er die "exzellente Bibliothek" der Abtei. Das Leihkartensystem lässt nachvollziehen, welche Werke er dort las. Die Werkausgabe von Henrik Ibsen etwa. "Die wichtigste Lektüre im Kloster waren Arthur Schopenhauers Werke", berichtete Sick.

Viel gelesen hat Konrad Adenauer auch während seines neunmonatigen politischen Exils im Unkeler Pax-Heim. Zehn Jahre zuvor war die deutschsprachige Ausgabe von Joseph Conrads Buch "Herz der Finsternis" erschienen. Ebenfalls von diesem Schriftsteller stammt die Erzählung "Der Taifun".

Kapitän Mac Whirr gerät mit seinem Schiff in ein Unwetter. Er schaut dem Sturm ins Auge wie einem persönlichen Gegner; mit Geduld und Ausdauer besteht er diesen Kampf. Einen der schlimmsten Tage in Unkel erlebte Adenauer am Buß- und Bettag 1935. Es regnete, der Rhein führte Hochwasser, Adenauer bedrückte die Zukunft. Da fand er Trost in diesem Buch.

Das Dschungelbuch von Rudyard Kipling, Werke von Charles Dickens und Jules Verne nannte Sick als weitere Lesevorlieben Adenauers. Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" habe er dabei gehabt, als er sich im Westerwald versteckte. Bekannt ist Adenauers Liebe zu Krimis. Lieblingsautoren: Agatha Christie, Edgar Wallace oder Dorothy Sayers. Die Titel konnten die Teilnehmer der Führung dann auch in Augenschein nehmen.

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