Interview mit dem Nicolaus: "Die Menschen sollten sich Zeit nehmen"

Interview mit dem Nicolaus: Der arbeitet als Auditor, wohnt in Oberpleis und spricht ein Plädoyer für die Feiertage aus

Der Nicolaus ist 50 Jahre alt, wohnt in Oberpleis und heißt mit Vornamen Frank. Mit ihm sprach Annette Claus.

GA: Freuen Sie sich das ganze Jahr auf den 6. Dezember?

Nicolaus: Einerseits ja, weil ich an diesem Tag wie alle anderen auch mit Geschenken überrascht werde. Andererseits werde ich besonders kurz vor Nicolaus viel angesprochen nach dem Motto "Ja, ist denn heut' schon Weihnachten?" - das nervt manchmal. Manchmal gehe ich aber auch in die Offensive und sage "Ja, und heute haben Sie schon den Nicolaus getroffen und können das Ihren Kindern erzählen."

GA: Was machen Sie denn am 6. Dezember?

Nicolaus: Ich werde natürlich versuchen, meine eigene Familie zu überraschen, anschließend werde ich bei der Kölschen Weihnacht in Ittenbach sein. Und ich werde bei einem Freund vorbeigehen, der zufällig an diesem Tag Geburtstag hat.

GA:

Und was machen Sie an den übrigen 364 Tagen im Jahr?

Nicolaus: Wie jeder andere auch: arbeiten. Ich bin als Auditor für Qualitäts-, Arbeitssicherheits- und Umweltmanagement tätig. Da bin ich viel unterwegs und lerne viele Menschen kennen. Manchmal, wenn ich in einer Firma anrufe, werde ich mit meinem Namen etwas hochgenommen.

GA: Was kommt dann so?

Nicolaus: Sekretärinnen wundern sich: "Nicolaus? Das gibt es doch nicht!" Insofern muss ich mitunter Aufklärungsarbeit leisten.

GA: Ihr Name ist insofern also auch Tür-Öffner, er macht die Menschen lockerer.

Nicolaus: Ich mache ihn dazu. Letztens zum Beispiel war ich bei einem Geburtstag, wo ein Kind Nicolai hieß. Da habe ich gesagt: "Und ich bin der Nicolaus". Da war das Staunen groß.

GA: Glauben Sie, dass das Fest Nicolaus an Bedeutung verloren hat?

Nicolaus: Die Besinnlichkeit ist im Schwinden begriffen. Ob man nun Arbeit hat oder nicht - die Gesellschaft ist inzwischen so von Stress geprägt, dass man die Feiertage gar nicht mehr bewusst wahrnimmt. Die Menschen sollten dorthin zurückfinden: sich bewusst Zeit zu nehmen.

GA: Sich bewusst auf einen Tag zu freuen?

Nicolaus: Sich darauf zu freuen und ihn ganz bewusst zu gestalten.

GA: Nicolaus ist der Tag der kleinen Geschenke, hat aber auch eine moralische Dimension: mit Hans Muff und dem Buch, in dem die Sünden stehen. Ist es noch zeitgemäß, dass Kindern gesagt wird, du warst brav, du warst nicht brav?

Nicolaus: Sofern dies an die Erinnerung an bestimmte Situationen geknüpft ist, schon. Weil die Kinder dann denken, "Au weia, was weiß der Nicolaus nicht alles!" Was im Goldenen Buch steht, war dann keine Eintagsfliege, es prägt sich vielleicht ein und hat erzieherischen Wert.

Zur PersonFrank Nicolaus (50) wurde im Vogtland geboren und kam 1989 ins Rheinland. Auf Zimmersuche ist er in Ittenbach gelandet, 1997 zog er mit Frau und Sohn nach Oberpleis. Als Auditor überprüft er Systeme für Qualitätsmanagement, Sicherheitsmanagement und Umweltmanagement und stellt den jeweiligen Firmen Zertifikate aus. Nicolaus ist Geschäftsführer bei den Öttemicher Jecken in Ittenbach.

GA: Wahrscheinlich auch eine Altersfrage, aber: Glauben Kinder an den Nicolaus?

Nicolaus: Ja, schon. Das merke ich oft am Telefon, wenn am anderen Ende ein Kind ist und ich mich mit Namen melde. Dann erschrickt sich das Kind und sagt: "Papa, der Nicolaus ist dran!"

GA: Sind Sie am 6. Dezember sehr im Einsatz-Stress?

Nicolaus: Eigentlich nicht so. Mein erwachsener Sohn übernimmt das in der Nachbarschaft immer mehr.

GA: Was würden Sie den Kindern für den morgigen Nicolaus-Tag zurufen wollen?

Nicolaus: Lasst euch überraschen, putzt eure Stiefel, seid brav, denn der Nicolaus sieht alles. Und vor allem: Verbringt den Tag mit eurer Familie und genießt Nicolaus!

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