Kein Verfahren gegen Bonner Notarzt, der Lebende für tot erklärte

Gutachter: 63-Jährige wäre auf jeden Fall an der Tablettenüberdosis gestorben

Bonn. Seine fatale Fehldiagnose wäre zwar vermeidbar gewesen, ein gerichtliches Nachspiel hat sie für den 35-jährigen Bonner Notarzt aber nicht. Die Staatsanwaltschaft wird keine Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung einleiten gegen den Mediziner, der am 4. Januar eine am Rheinufer liegende Frau für tot erklärte, obwohl die 63-Jährige noch lebte, was Polizisten später bei der Leichenschau bemerkten.

Die Frau starb trotz sofortiger medizinischer Maßnahmen am selben Abend, und nun kommt ein rechtsmedizinisches Gutachten zu dem Ergebnis: Die schwer krebskranke Frau wäre auch ohne die Fehldiagnose an der in Selbstmordabsicht eingenommenen Tablettenüberdosis gestorben. Das teilte die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, Monika Ziegenberg, am Montag mit.

Gegen 10.30 Uhr an jenem Sonntag fanden Passanten die leblose und durchnässte Frau am Rheinufer in Höhe des Beueler Bahnhöfchens, und kurz vor elf Uhr erklärte der Notarzt die Frau für tot.

Angesichts der Traube von Schaulustigen hatte der Mediziner pietätvoll darauf verzichtet, die Frau zu entkleiden und genau zu inspizieren. Die Identität der 63-Jährigen war schnell geklärt, da ihr Mann sie früh morgens vermisst gemeldet und berichtet hatte, dass seine krebskranke Frau schon mehr als nur einen Selbstmordversuch hinter sich habe.

Die vermeintlich Tote wurde in ein Bestattungshaus gebracht, und dort bei der Leichenschau in Anwesenheit von Polizisten hörten und sahen die Beamten plötzlich Lebenszeichen. Nach Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage setzte bei ihr Atmung und Herzschlag wieder ein, sie wurde mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht, wo sie um 20.30 Uhr starb. Die Staatsanwaltschaft leitete ein so genanntes Todesermittlungsverfahren ein wie bei allen ungeklärten Todesfällen, und die Obduktion der 63-Jährigen ergab: Die Medikamentenvergiftung war todesursächlich. Das anschließende Gutachten sollten die Fragen beantworten: Wäre die Fehldiagnose vermeidbar und die Frau zu retten gewesen?

Der rechtsmedizinische Sachverständige kommt nun zu dem Ergebnis: Der Notarzt hätte die Fehldiagnose vermeiden können. Wenn er die Frau entkleidet hätte, so wie es nach der Leichenschauverordnung vorgeschrieben ist, wäre ihm aufgefallen, dass ihr Körper keine Leichenflecken aufwies und sie noch lebte.

Als Notarzt, so der Gutachter, darf er den Totenschein nur ausstellen, wenn er 100-prozentig sicher ist. Sicher aber habe der Notfallmediziner in dem Fall nicht sein können.

Trotz dieser Fehldiagnose ist der Mediziner jedoch nicht für den Tod der Frau verantwortlich zu machen: Laut Gutachten wäre sie an der Medikamentenvergiftung auch gestorben, wenn sie sofort nach dem Auffinden behandelt worden wäre.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort