Shell-Raffinerie in Wesseling Kerosin erst nach Jahrzehnten abgebaut

Wesseling · Von einem Sumpf aus Kerosin ist die Rede, einer Insel oder einem See. Sicher ist, dass die rund eine Million Liter Öl, die im Februar auf dem Gelände der Raffinerie Shell in den Boden gesickert sind, die Wesselinger noch lange beschäftigen werden.

Bis das Öl ganz verschwindet, können Jahrzehnte vergehen, wie Experten jetzt bei einer Informationsveranstaltung im Wesselinger Rheinforum erklärt haben. "So einen Rückschlag hatten wir nicht erwartet", sagte Raffinerie-Leiter Bram Steenks, der sich sich für den Störfall entschuldigte. Shell-Mitarbeiter, Behördenvertreter und Gutachter stellten sich den Fragen von rund 250 Bürgern.

Wie groß ist der Kerosinsee und verbreitert er sich?
Der See liegt laut Shell sieben Meter unter der Erde und hat sich auf einer Fläche von 42.000 Quadratmetern (sechs Fußballfelder) ausgedehnt. Gutachter Rolf-Jörg Eichler versicherte, dass der See sich nicht weiter ausbreitet. Der See bewege sich horizontal nicht mehr, allenfalls noch in die Tiefe.

Was ist die Ursache des Lecks?
Steenks erklärte, dass das Leck durch "eine unvorhergesehene Wechselwirkung" zwischen der Kerosinleitung und einer kreuzenden Wasserleitung entstanden sei. Hinzu sei der Schaden an der Bitumen-Isolierung der Leitung gekommen, so Hans-Dieter Ohles, Gutachter vom TÜV Rheinland.

Gibt es eine Gefährdung für die Bevölkerung?
Das Grundwasser sei nur an den Kontaktstellen mit dem Kerosin kontaminiert, da sich das Öl mit dem Wasser nicht mische, so Gutachter Eichler. Für die Bevölkerung bestehe keine Gefahr. Axel Spieß, technischer Leiter des Wasserbeschaffungverbandes Wesseling-Hersel: "Das Trinkwasser ist nicht belastet." Das Grundwasser der Schadensstelle fließe weder bei fallendem noch bei steigendem Pegel in Richtung des Wasserwerks Urfeld.

Wie verläuft die Sanierung?
"Zunächst wollen wir so viel Kerosin wie möglich abpumpen", so Steenks. Der dritte Brunnen ist gerade in Betrieb genommen worden (siehe Grafik). Ein Vierter soll demnächst folgen. Zwischen drei und fünf Jahren werde diese Phase dauern. Außerdem solle der biologische Abbau des Öls gefördert werden, etwa mit der Zugabe von Sauerstoff. Bis alles abgebaut sei, könne es aber Jahrzehnte dauern, gaben Gutachter Eichler wie auch Paul Kröfges, Landesvorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), zu bedenken. Shell prüft auf Ordnungsverfügung der Bezirksregierung die Wandstärke ihrer einwandigen Rohre in Wesseling. An neun Stellen ist die Bitumen-Isolierung bislang erneuert worden. Künftig soll es ein besseres Leckage-Erkennungs-System geben.

Welche Auswirkungen hatte das Hochwasser auf den See?
Normalerweise entsteht durch das Abpumpen von Grundwasser ein Trichter, in den das Kerosin gezogen wird. Der Mechanismus funktioniere wegen des Hochwassers derzeit nicht, erklärte Shell-Sprecher Constantin von Hoensbroech dem GA. Deshalb habe Shell erst 100.000 Liter Öl abgepumpt.

Wie ist die Häufung der Leckagen zu erklären?
"Genau diese Frage stellen wir uns auch", so von Hoensbroech. Bislang gebe es dazu noch keine Ergebnisse. Insgesamt entstanden neben dem Kerosin-See im vergangenen Jahr fünf Leckagen im Godorfer Werk. Eine Gefährdung Dritter habe es dort nicht gegeben.

Warum werden die Rohre nicht alle durch moderne doppelwandige ersetzt?
Gudrun Both vom Landesministerium für Klimaschutz sagte: "Es wäre wünschenswert, dass Shell die Rohre in Wesseling austauscht." Dies könne jedoch nicht eingefordert werden, da es für alte Leitungen einen "Bestandsschutz" gebe. Viele Bürger wie Beate Schultz aus Urfeld konnten dieses Vorgehen nicht verstehen: "Dass wir alle moderne Autos fahren, dagegen aber 70 Jahre alte Rohre, die schädigende Stoffe transportieren, so lange unter der Erde liegen dürfen, ist nicht hinnehmbar."

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