Koblenzer Gericht schickt Vater elf Jahre nach Übergriffen auf seine Tochter ins Gefängnis
Eine 21-Jährige sitzt wegen Diebstahls eine sechsmonatige Haftstrafe in einer Jugendvollzugsanstalt ab, als die Sorge um die Mutter ihr die Kraft verleiht, das zu tun, wozu sie zehn Jahre lang nicht in der Lage war.
Koblenz. (ln) Eine 21-Jährige sitzt wegen Diebstahls eine sechsmonatige Haftstrafe in einer Jugendvollzugsanstalt ab, als die Sorge um die Mutter ihr die Kraft verleiht, das zu tun, wozu sie zehn Jahre lang nicht in der Lage war.
Sie durchbricht die Mauer des Schweigens und konfrontiert ihren Vater in einem Brief mit den Taten, an denen das einst fröhliche Mädchen ein Leben lang leiden wird. Der Vater indes ist jetzt für das Verbrechen an seiner Tochter vom Landgericht Koblenz zumindest strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden.
Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen ist er zu einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden. Das Gericht hält es für erwiesen, dass sich der 44-Jährige, der damals mit seiner Frau und drei Kindern in Bad Neuenahr gelebt hat, von Januar bis September 1999 insgesamt drei Mal an seiner damals elfjährigen Tochter vergangen hat.
Zehn Jahre hatte die heute 21-Jährige das Unfassbare verdrängt und geschwiegen. Erst als sie im Oktober 2008 eine Jugendstrafe absitzen muss, und erfährt, dass der mittlerweile von seiner Familie getrennt lebende Vater ihre Mutter bedroht, überwindet sie ihre Sprachlosigkeit. In einem wütenden Brief fordert sie den 44-Jährigen auf, ihre Mutter in Ruhe zu lassen und findet darüber hinaus drastische Worte für das, was der Vater ihr Jahre zuvor angetan hatte.
Doch im Zuge der Postkontrolle landete der Brief bei einer Mitarbeiterin des Sozialdienstes der Strafanstalt. Die übergab den Brief der Staatsanwaltschaft. Da der Angeklagte vor Gericht schwieg und keine objektive Beweise vorlagen, die die Vorwürfe der 21-Jährigen bestätigten, verdichtete sich der Prozess auf die Frage der Glaubwürdigkeit.
Die stellte Staatsanwältin Ute Adam-Backes zumindest in Zweifel. "Es liegen keinerlei Äußerungen gegenüber Dritten vor. Nachvollziehbare Tatsachen fehlen ebenso. Die Beweislage ist insgesamt zu blass", stellte die Anklägerin fest und beantragte Freispruch. Auch Verteidiger Gerhard Schaller hielt die Vorwürfe für nicht erwiesen. Zu wenig konkret seien die Schilderungen der Tochter. Er ging vielmehr davon aus, dass die 21-Jährige mit dem Brief ihrem Vater habe schaden wollen.
Das Gericht räumte ein, dass dem Urteilsspruch eine sorgfältige und teilweise auch kontroverse Diskussion vorausgegangen sei. Einig sei sich die Kammer, dass die Angaben des Opfers absolut glaubhaft seien. "Dass ein Kind von elf Jahren lediglich andeutet, was geschehen ist, ist alles andere als ungewöhnlich. Ein Kind diesen Alters ist nicht in der Lage, das Erlebte in Worte zu fassen", erklärt Richter Hans-Georg Göttgen.
Dass die 21-Jährige keinerlei Belastungstendenzen gezeigt habe, spreche ebenfalls für ihre Glaubwürdigkeit. Grundlage des Urteils bilde besagter Brief. In ihm schildere die junge Frau Jahre nach den Übergriffen drei konkrete Taten, die sich 1999 ereignet hätten. In allen Fällen habe der Vater den Umstand, dass er allein mit seiner Tochter gewesen sei, ausgenutzt. Demnach sei es zunächst im Ehebett zum ersten Geschlechtsverkehr gekommen.
Ebenso unzweifelhaft stehe fest, dass es im Keller der elterlichen Wohnung zu einem weiteren Übergriff gekommen sei. Und auch der dritte Fall, als der 44-Jährige eine kurze Autofahrt genutzt habe, um unter einer Brücke zu halten und seine Tochter erneut zu sexuellen Handlungen zu zwingen, sei zweifellos so passiert, wie ihn die junge Frau in dem Brief geschildert habe. In drei weiteren Fällen sei der Angeklagte freizusprechen. Drei weitere Fälle seien zu wenig konkret und letztlich nicht nachweisbar.