In Kölner Buchhandlung Abtreibungsgegner schockieren mit Holocaust-Plakat

KÖLN · Im Schaufenster einer geschlossenen Buchhandlung in der Kölner Innenstadt wurde ein Plakat mit dem Schriftzug "Abtreiben macht frei" aufgehängt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Scheibe wurde inzwischen eingeschlagen.

 Wegen dieses Plakats ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Wegen dieses Plakats ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Foto: Rheinisches antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus

Eine scheinbar triviale Polizeimeldung aus Köln: Das Fenster einer Buchhandlung in der Innenstadt nahe des Heumarkts wurde am Dienstagabend eingeworfen. Ein Zeuge hatte einen lauten Knall gehört, gesehen, wie der mutmaßliche Täter flüchtete und die Polizei alarmiert. Dahinter könnte aber durchaus mehr stecken: Die Kripo prüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der Tat und einem Plakat geben könnte, das seit Dienstag für Aufsehen in der Stadt und darüber hinaus sorgt.

Zu sehen sind darauf das Hauptgebäude des Wiesbadener Südfriedhofs und, in das Foto hineinmontiert, das Tor des Vernichtungslagers Auschwitz mit dem verfremdeten Schriftzug "Abtreiben macht frei". Zudem wird auf die Webseite militanter Abtreibungsgegner hingewiesen. Deren Betreiber Karl Noswitz ist laut Handelsregister Geschäftsführer der christlichen Marienbuchhandlung, die sich in einer Einkaufspassage an der Pipinstraße nahe der KVB-Haltestelle Heumarkt befindet. Das gesamte Gebäude gehört der GAG Immobilien AG, die dort ab Jahresende umfassend sanieren will, wie Sprecher Jörg Fleischer dem GA auf Anfrage bestätigte. Allen Mietern sei zu Ende September gekündigt worden. Die Buchhandlung ist bereits seit einiger Zeit geschlossen. "Dennoch prüfen wir aufgrund des Plakats jetzt mietrechtliche Konsequenzen", sagte Fleischer dem GA.

Karl Noswitz betreibt den pseudo-nachrichtlichen Blog "Privat-Depesche", auf dem er Abtreibung mit dem Massenmord an sechs Millionen Juden durch die Nazis gleichsetzt, Begriffe wie "Babyzid" benutzt und namentlich Ärzte und Politiker denunziert. Unter anderem schildert Noswitz, dass es auf dem Wiesbadener Friedhof ein "Massengrab für abgetriebene Kinder" gebe. Bereits im Juli machte das Holocaust-Motiv Schlagzeilen, als es als Einladung für eine "Trauerfeier für im Mutterleib ermordete Kinder" die Runde machte. Urheber soll der Vorsitzende der Deutschen Zentrumspartei, Gerhard Woitzik, sein, die sich dafür einsetzt, Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich zu verbieten. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Margarete Bause erstattete wegen des Motivs Anzeige wegen Volksverhetzung.

Anzeige wurde nun auch wegen des Kölner Plakats gestellt, nachdem das "Rheinische antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus" auf Facebook darauf aufmerksam gemacht hatte. "Eine Person, die unseren Beitrag gelesen hat, hat die Anzeige gestellt", teilte das Bündnis auf GA-Anfrage am Donnerstag mit. Die Kölner Staatsanwaltschaft prüft nun "den Anfangsverdacht einer Straftat". "Es muss zunächst ermittelt werden, wer der Täter ist, wer also das Plakat dort aufgehängt hat", sagte eine Sprecherin der Polizei dem GA auf Anfrage.

Klar ist: Das Plakat hängt dort noch immer, in der Scheibe prangt jedoch ein etwa 30 mal 30 Zentimeter großes Loch, das durch eine Firma gesichert wurde. Die Buchhandlung ist telefonisch nicht erreichbar, auf eine E-Mail-Anfrage des GA reagierte Karl Noswitz bislang nicht.

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