Erste Verlegung vor 25 Jahren Ausstellung zu "Stolpersteinen" in Kölner Kunst- und Museumsbibliothek
Köln · Vor rund 25 Jahren wurde in Köln der erste "Stolperstein" zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Nun befasst sich eine Schau in Köln mit den quadratischen Mahnmalen.
Es sind immer nur ein paar Zeilen, die in wenigen Worten, Abkürzungen und Zahlen ein Leben skizzieren. „Hier wohnte Johanna Herz, geb. Mayer, Jg. 1895, Deportiert 1941, Lodz ???“ „Hier praktizierte Dr. Hans Salomon Feldheim, Jg. 1886, Freitod 28.9.1944.“ Oder: „Hier wohnte Josef Engel, Zeuge Jehovas, Jg. 1917, verhaftet, KZ Buchenwald-Dachau, ermordet Oktober 1942 Landesanstalt Schlosshartzheim/Linz.“ Mit der Hand sind diese Inschriften auf gegossene Messingplatten gepunzt, eine jede hat das gleiche Format: 96 mal 96 Millimeter.
Die glänzenden Quadrate sind in die Mitte von Gehwegen eingelassen, vor den Häusern, in denen die Menschen, an die sie erinnern, zuletzt lebten, lernten, lehrten oder ihrem Beruf nachgingen. Einigen gelang die Flucht. Doch die meisten wurden verschleppt und ermordet. Weil sie Juden waren, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas oder ins tödliche Räderwerk der Euthanasie gerieten. Vor rund 25 Jahren, am 16. Dezember 1992, verlegte der Künstler Gunter Demnig seinen ersten „Stolperstein“ vor dem Historischen Rathaus in Köln.
61 000 "Stolpersteine" in 21 Ländern
Inzwischen erinnern mehr als 61 000 von ihnen in 21 europäischen Ländern an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors. Noch bis zum 12. November dokumentiert eine Schau in der Kölner Kunst- und Museumsbibliothek die Geschichte eines Mahnmals, das zur Bürgerbewegung wurde. In 14 Vitrinen ist eine Auswahl aus Beständen des Hauses zu sehen. Urkunden, Artikel oder Aktenordner zeichnen den Weg der „Sozialen Skulptur“ aus Kunst und bürgerschaftlichem Engagement zu einem der bedeutendsten Gedenkprojekte Europas nach.
Zu sehen gibt es aber auch Gegenständliches. Zum Beispiel T-Shirts, auf denen gegen den Entschluss der Stadt München protestiert wird, keine Stolpersteine im öffentlichen Raum zuzulassen. Oder Schwamm, Mörtel-Eimer, Maurerkelle und die Hämmer, mit denen Gunter Demnig seine Mahn-Quadrate verlegt. Das Aufbrechen des Pflasters wird dabei gleichsam zu einem Impuls für das Aufbrechen der Erinnerung. Oder, wie es in einem der Flyer heißt: „Die mit Text versehenen Stolpersteine sind eher unaufdringlich in das Pflaster der Gehwege eingepasst. Verdrängte, 'vergrabene' Ereignisse, Verbrechen werden aus der Versenkung geholt, ausgegraben und im öffentlichen Raum präsentiert.“ Dass dabei jemand zu Schaden kommt, ist keineswegs Ansinnen des Künstlers. „Man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen“, hat er dazu erklärt.
Große Nachfrage
Was 1992 seinen Anfang nahm, ist ein gewachsenes Projekt. „Es wächst nicht nur weiter in der räumlichen Ausdehnung, sondern auch in der Diskussion, im Bewusstsein der Menschen und in wissenschaftlichen Entwicklungen“, sagt Elke Purpus, die Direktorin der Kunst- und Museumsbibliothek und Kuratorin der Ausstellung. „Denkmäler stehen oft auf einem Friedhof, in einem Park oder an Orten, an denen man achtlos an ihnen vorbeigeht – das ist hier anders.“ Und wenn Kritiker des Projekts wie Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München, bemängeln, hier werde das Andenken von Opfern sprichwörtlich mit Füßen getreten, entgegnet ihnen Demnig: „Wer sich bückt, um die Inschriften zu lesen, verneigt sich vor ihnen.“
In vielen Städten haben sich inzwischen Initiativen gegründet, die weiter die Schicksale derer erforschen, die einst dort lebten. Sie veranstalten Führungen, halten Vorträge und organisieren Gedenkveranstaltungen. „Wer selbst die Patenschaft für einen Stolperstein übernehmen will, als Einzelperson, als Gruppe oder Institution, sollte recherchieren, ob es in seiner Stadt schon so eine Initiative gibt“, rät Purpus.
Die Verlegung kostet 120 Euro, inbegriffen Vorbereitungsarbeiten, Material, Fertigung und Lieferung. Jeder Stein wird von dem Berliner Bildhauer Michael Friedrichs-Friedlaender in Handarbeit hergestellt. Pro Monat sind das 440 Steine – aber die nächsten Termine für Verlegungen sind erst wieder Mitte 2018 frei.
„Das Projekt STOLPERSTEINE – Ein KunstDenkmal als Bürgerbewegung“, bis Sonntag, 12. November, Kunst- und Museumsbibliothek, Lesesaal im Museum Ludwig. Geöffnet: Mo. 14-21 Uhr, Di. bis Do. 10-21 Uhr, Fr. bis So. 10-18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Mehr zum Projekt Stolpersteine: www.stolpersteine.eu