Zwei Entschärfungen in kurzer Zeit Warum in Köln vermehrt Bomben gefunden werden

Bonn · In Köln werden derzeit vermehrt Weltkriegsbomben gefunden. Regelmäßig rückt deshalb der Kampfmittelbeseitigungsdienst an und Teile der Stadt werden evakuiert. Warum häufen sich die Fälle und welche Folgen haben sie?

 Die entschärfte Fliegerbombe liegt auf der Ladefläche eines LKW auf dem Gelände der Universitätsklinik.

Die entschärfte Fliegerbombe liegt auf der Ladefläche eines LKW auf dem Gelände der Universitätsklinik.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Zwei Tage, zwei Bombenentschärfungen: Innerhalb kurzer Zeit herrscht in Köln gleich mehrmals Ausnahmezustand. Am Dienstag vergangener Woche werden mehr als 10.000 Menschen nach einem Bombenfund im Stadtbezirk Deutz evakuiert und müssen ihre Wohnungen und Arbeitsplätze verlassen. Der Verkehr um den Bahnhof Köln Messe/Deutz kommt zum Erliegen. Drei Stunden später entschärfen Spezialisten die Zehn-Zentner-Bombe. Nur einen Tag später wird bei Sondierungsarbeiten auf dem Klinikgelände in Köln Lindenthal erneut ein Blindgänger entdeckt. Mehr als 500 Patienten werden verlegt, die Evakuierung beginnt noch am selben Abend. Am Donnerstagmorgen müssen rund 5800 Menschen ihre Wohnungen verlassen. 51 Minuten nach der Freigabe hat die Kampfmittelbeseitigung die Bombe entschärft.

Am Wochenende ist die Stadt erneut alarmiert, nachdem verdächtiges Metall auf dem Gelände der LVR Klinik gemeldet wird. Gefunden werden aber lediglich Fragmente einer bereits detonierten Bombe. Damit entkommt die Stadt Köln am Sonntag der dritten großräumigen Evakuierung innerhalb einer Woche. Eine Entschärfung hätte die Sperrung des Autobahnkreuzes Köln-Ost und die Evakuierung der LVR Klinik bedeutet. Bei der Häufigkeit der Vorfälle stellt sich die Frage: Nehmen die Bombenfunde zu? Und wenn ja, warum?

Klarer Anstieg der Funde zu erkennen

2811 Bomben hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Jahr 2018 nach Angaben des NRW-Innenministeriums landesweit entschärft. Das sind 45 Prozent mehr Einsätze als noch im Vorjahr. Neben 291 Bomben ab einem Gewicht von 50 Kilogramm zählen auch Nebel-, Brand-, Splitter- und kleinere Sprengbomben dazu.

Für das Jahr 2019 liegen noch keine Gesamtzahlen vor. Dass das Problem aber nach wie vor akut ist, zeigt das Beispiel Köln. Hier evakuierten die Behörden im vergangenen Jahr 23 Mal, nachdem Weltkriegsbomben gefunden wurden. 25 Bomben wurden dabei unschädlich gemacht. 2018 lag die Zahl der Evakuierungen noch bei 15. Zum Vergleich: In Bonn wurde in den vergangenen zwei Jahren jeweils nur ein Mal evakuiert. Die Zahlen in Köln zeigen also einen deutlichen Anstieg.

Einen Grund dafür sieht die Bezirksregierung Düsseldorf darin, dass mehr gebaut wird. Die Behörde ist auch im Regierungsbezirk Köln für die Kampfmittelbeseitigung zuständig und beseitigt jährlich im Schnitt 100 bis 200 Bomben. Deren Sprecherin Beatrix Van Vlodrop teilt auf Nachfrage mit: „Die intensive Bautätigkeit führt dazu, dass regelmäßig neue Verdachtspunkte entdeckt werden.“ Soll heißen: Wer mehr baut, findet auch mehr Bomben. Das sieht auch die Stadt Köln so. „Die Bauaktivität und die Anträge auf Sondierungsarbeiten steigen“, sagt Robert Baumanns von der Stadt Köln. Das Ergebnis: Es werden häufiger Blindgänger entdeckt.

Das NRW-Innenministerium geht davon aus, dass zwischen 1939 und 1945 etwa 675.000 Tonnen Sprengstoff auf NRW abgeworfen wurden. Hinzu kommt die Munition durch die Kämpfe am Boden. Nicht alles detonierte, vieles blieb im Boden. Experten rechnen damit, dass sie bislang nur etwa ein Fünftel bis ein Sechstel der Blindgänger entfernt haben. Deshalb müssen auch 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch Bomben entschärft werden.

Bei Bomben ab 50 Kilo muss der Kampfmittelräumdienst vor Ort entschärfen

Größere Bauarbeiten ziehen bereits im Vorfeld einen größeren Aufwand nach sich. „Vor Bauarbeiten, bei der eine erhebliche Bodenarbeit von Nöten ist, ist die Einbindung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Pflicht“, so Van Vlodrop. Bei anderen Arbeiten entscheidet die Kommune, ob die Kampfmittelbeseitigung beteiligt wird. Dann werden Luftbilder verglichen und ausgewertet.

Wird eine Bombe gefunden und wiegt 50 Kilogramm oder mehr, muss sie aufgrund ihrer Sprengkraft direkt vor Ort entschärft oder kontrolliert gesprengt werden. In einem solchen Fall legen die Mitarbeiter der Bezirksregierung in Absprache mit der betroffenen Stadt den Evakuierungsbereich fest. „Die Größe dieses Bereiches ist abhängig von der konkreten Lage der Bombe und der Sprengstoffmasse“, sagt Van Vlodrop.

Evakuierungen haben große Auswirkungen auf den Verkehr

Die Evakuierung eines Gebietes bedeutet hohen logistischen Aufwand. Wird ein Blindgänger nicht im Vorfeld bei Sondierungsarbeiten, sondern zufällig bei Erdarbeiten entdeckt, wird die Stadt benachrichtigt, die wiederum die Kampfmittelbeseitigung informiert. Nachdem der Kampfmittelbeseitigungsdienst das Sperrgebiet und den zeitlichen Rahmen der Entschärfung festgelegt hat, beginnt die Polizei mit der Absperrung der Straßen. Für die Evakuierung von Bewohnern oder Patienten von Kliniken sind Mitarbeiter des Ordnungsamtes, häufig aber auch Einsatzkräfte der Feuerwehr oder Hilfsorganisationen zuständig.

Das Ordnungsamt klingelt mindestens in zwei Durchgängen bei betroffenen Anwohnern und fordert sie auf, ihre Wohnungen zu verlassen. In der Regel richtet die Stadt eine Anlaufstelle für die Betroffenen Anwohner ein. Die Stadt ist bei einer Evakuierung ebenfalls dafür zuständig, die Flugsicherung zu informieren, damit der Luftraum bis zu 1000 Meter Höhe gesperrt werden kann.

„Wenn ein Bahnhof oder einzelne Streckenabschnitte in den Evakuierungsbereich fallen, hat das Auswirkungen auf den gesamten Bahnverkehr“, so ein Sprecher der Deutschen Bahn. Besonders, wenn diese einen Knotenpunkt betrifft. „Eine Sperrung am Kölner Hauptbahnhof hinterlässt Spuren im Bahnverkehr bis nach Paris und Wien.“ Die Betriebszentrale der Deutschen Bahn in Duisburg koordiniert daraufhin sämtliche Umleitungen der Züge, legt Ersatzrouten und Haltestellen fest. Im Durchschnitt dauere eine Vollsperrung nur 30 bis 45 Minuten.

Liegt ein Autobahnabschnitt im Evakuierungsbereich, muss Straßen NRW den betroffenen Abschnitt sperren. „Grundsätzlich sind unsere Autobahnmeistereien so aufgestellt, dass sie kurzfristig Sperrungen durchführen können“, so Stephan Lamprecht vom Landesbetrieb Straßenbau NRW. Wie groß die Verkehrsbehinderungen bei einer Evakuierung nach einem Bombenfund sind, hängen schlussendlich von der Länge und der Lage der betroffenen Strecke ab.

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