"Das ist harter Tobak" Das sagt ein ADAC-Experte zu den VRS-Preisen

Köln · Der Mobilitätsexperte Roman Suthold sieht in der Preiserhöhung ein fatales Signal für Umsteiger vom Auto und fordert neue Finazierungsmodelle.

Vor nicht einmal einem Monat veröffentlichte der ADAC eine Untersuchung zu den Nahverkehrspreisen in 21 deutschen Großstädten. Das Ergebnis bestätigte, was Bus- und Bahnfahrer in Bonn und Köln, die anderswo auch schon mal mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind, sowieso wussten: Sie sind vielfach teurer unterwegs.

Beispiele aus der ADAC-Studie: In Köln und Bonn (Verkehrsverbund Rhein-Sieg) kostet die Tageskarte für Erwachsene 8,80 Euro, in Stuttgart 5,20 Euro. Auf der Kurzstrecke sind VRS-Nutzer mit zwei Euro dabei, Stuttgarter fahren für nur 1,40 Euro. Für ihr VRS-Monatsabo bezahlen Bönnsche und Kölsche 98,50 Euro, Münchner dagegen nur 55,20 Euro. Dass der VRS trotz seiner ohnehin schon hohen Gebühren nun eine neue Preisrunde einläutet, lässt den ADAC-Mobilitätsexperten Roman Suthold deshalb kopfschüttelnd zurück.

„Wir reden seit Jahren über eine Verkehrswende. Wir wollen, dass die Leute vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen. Im gleichen Atemzug erhöht der VRS nun die Preise“, meint Suthold. „Das ist harter Tobak für Menschen, die gerade darüber nachdenken, vom Auto auf Busse und Bahnen umzusteigen. Die überlegen sich jetzt zweimal, ob es sich lohnt, mit der Bahn statt mit dem Auto in die Stadt zu fahren“, sagt Suthold.

Was den ADAC-Verkehrsfachmann besonders ärgert, ist die Taktung der Preiserhöhungen. „Welcher normale Unternehmer kann es sich leisten, seine Produkte jedes Jahr automatisch zweieinhalb Prozent teurer zu machen? Und das findet schon seit Jahrzehnten so statt!“ Bonner und Kölner sind in Nordrhein-Westfalen allerdings nicht die Einzigen, die mit vergleichsweise hohe Kosten leben müssen. Auch im Bereich des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR), zu dem Städte wie Düsseldorf, Dortmund oder Essen gehören, müssen Bus- und Bahnfahrer im Ländervergleich tief in die Tasche greifen.

Den Appell der VRS-Zweckverbandsversammlung an Bund und Landesregierung, sich stärker an den finanziellen Lasten des Nahverkehrs im Rheinland zu beteiligen, kann Suthold deshalb nachvollziehen. In Bayern oder Baden-Württemberg gebe es eben den politischen Willen, den Autoverkehr aus den Metropolen herauszuhalten, sagt der ADAC-Mann: „Man möchte, dass Pendler und Besucher stärker mit Bussen und Bahnen in die Städte fahren. Deshalb gibt es in Metropolen wie in Stuttgart oder München eine stärkere Subventionierung.“ Das würde sich Suthold sich auch fürs Rheinland wünschen.

Jedenfalls geht der VRS mit der doppelten Preisrunde den entgegengesetzten Weg, den Städte wie beispielsweise Wien einschlagen. 365 Euro, genau einen Euro für jeden Tag, bezahlen die Bewohner der österreichischen Hauptstadt für ihr Nahverkehrs-Jahresabonnement. Mit dem erwarteten Ergebnis: Fast die Hälfte der Bevölkerung verfügt über eine Jahreskarte für Busse und Bahnen, nämlich 822 000 der 1,8 Millionen Einwohner.

Die geringere Kostendeckung durch Ticketverkäufe versucht die Wiener Stadtverwaltung unter anderem durch eine intensivere Parkraum-Bewirtschaftung auszugleichen. Auf diese Weise subventionieren Autofahrer, die mit ihren Fahrzeugen nach Wien kommen, den günstigen Nahverkehr. Ein Modell, das auch in Bonn diskutiert wird

„Der öffentliche Nahverkehr ist nirgendwo in Europa defizitfrei. Wir bekommen ein ordentliches Angebot nur hin, wenn wir es querfinanzieren. Da muss man nicht drumherum reden“, sagt Mobilitätsfachmann Suthold – und sieht dafür auch die Bundesregierung in der Pflicht: „Die Mineralölsteuer zum Beispiel soll zumindest zum Teil zweckgebunden für den Verkehr ausgegeben werden. In diesen Kassen sind eigentlich genug Mittel, die in den Nahverkehr gesteckt werden könnten. Es müsste nur der politische Wille da sein.“

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