Interview mit Nabu-Projektkoordinatorin Die Bonner Expertin Katharina Stenglein über die Rückkehr des Wolfs

Bonn · Die Wolfsexpertin Katharina Stenglein aus Bonn hält ein Aufeinandertreffen von Wolf und Mensch für sehr unwahrscheinlich. Trotzdem gibt es Vorsichtsmaßnahmen.

 Katharina Stenglein ist Wolfsberaterin beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen.

Katharina Stenglein ist Wolfsberaterin beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen.

Foto: Benjamin Westhoff

Kann der Wolf in NRW heimisch werden?

Katharina Stenglein: Grundsätzlich ja, und man muss auch davon ausgehen, dass Wölfe in unserem Bundesland bald ein Zuhause finden werden.

Leben schon Wölfe in NRW?

Stenglein: Nicht dauerhaft. Sie streifen durch NRW, kommen und gehen auch wieder. In diesem Jahr gab es bereits vier Wolfsnachweise in Nordrhein-Westfalen.

Welche Regionen in NRW halten Sie als Lebensraum für Wölfe geeignet?

Stenglein: Die Eifel und die Senne auf jeden Fall. Aber der Wolf kann sich auch andere Regionen aussuchen. Es kommt letztlich auf die Lebensbedingungen an, die er vorfindet.

Halten Sie es für denkbar, dass Wölfe durch den Königsforst, das Siebengebirge und den Kottenforst streifen?

Stenglein: Ja, das wird mit hoher Sicherheit passieren. Allerdings rechne ich damit, dass die Wölfe sich in diesen Gebieten nicht dauerhaft niederlassen, sondern auf der Suche nach Partnern und geeigneteren Lebensräumen nur durchziehen werden.

Wie groß muss ein Lebensraum für Wölfe sein?

Stenglein: Die Wissenschaft geht davon aus, dass 250 Quadratkilometer Fläche erforderlich sind. Zum Vergleich: Der Nationalpark Eifel ist nur etwa 110 Quadratkilometer groß. Ein Wolfsterritorium muss also schon sehr groß sein.

Wie nah ist bis jetzt ein Wolf der Stadt Bonn gekommen?

Stenglein: 2016 wurde ein Wolf in Rösrath nachgewiesen. Da ein Wolf Nachtetappen von bis zu 70 Kilometern zurücklegen kann, ist die Entfernung nach Bonn für einen Wolf nicht weit.

Kommen Wölfe in unserer Kulturlandschaft zurecht?

Stenglein: Wölfe nutzen gerne menschliche Strukturen. Zum Beispiel Truppenübungsplätze der Bundeswehr sind beliebte Aufenthaltsorte für Wölfe. Aber grundsätzlich gilt, der Wolf sucht nicht die Nähe des Menschen.

Wie reagiert ein Wolf bei Kontakt mit Menschen normalerweise?

Stenglein: Ein Aufeinandertreffen von Mensch und Wolf ist sehr unwahrscheinlich. Lediglich junge Wölfe bis zu einem Alter von unter einem Jahr können aufgrund ihrer Neugier schon mal bei plötzlichem Menschenkontakt stehen bleiben und das für sie unbekannte Wesen Mensch beobachten. Wölfe sind von Hause aus aber sehr vorsichtig und können Menschen so frühzeitig wittern, dass der Mensch selbst von der Nähe des Wolfes in aller Regel gar nichts mitbekommt.

Gab es schon gefährliche Begegnungen zwischen Mensch und Wolf?

Stenglein: Seit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland im Jahr 2000 hat es nicht eine Situation gegeben, in der sich ein Wolf einem Menschen aggressiv genähert hat.

Haben Sie schon mal einen Wolf in freier Wildbahn gesehen?

Stenglein: Nein, leider nicht. Und ich hätte wahrlich die Möglichkeit dazu gehabt. Aber Wolfskontakt kann man nicht planen. Wenn er sich überhaupt einstellt, dann ist das schon eine außergewöhnliche Seltenheit. Ich habe allerdings schon Wolfsspuren und -kot in der Natur gefunden. Lebende Wölfe kenne ich nur aus meiner Praktikums- und Studienzeit im Gehege.

Ähnelt der Wolf dem Schäferhund?

Stenglein: Für einen Laien ist der Unterschied schwer auszumachen, da es Schäferhundarten gibt, die sehr dem Wolf ähneln. Ein Wolf ist in der Regel vom Körperbau her leichter und schmaler als ein Schäferhund.

Was fasziniert Sie am Wolf?

Stenglein: Seine Fähigkeit, sich Dinge zu merken, Gesten zu verstehen und sein Sozialverhalten im Rudel – das alles begeistert mich am Wolf, der der Urahn des Hundes ist. Bereits als Kind wollte ich Biologin werden. Während meines Studiums in Bonn habe ich ein Urlaubssemester genommen und bei einem Wolfsforscher ein Praktikum gemacht. Ich kümmerte mich damals um vier kleine Wölfe.

Wie stehen Sie zur Frage, ob Wölfe zur Jagd freigegeben werden sollen?

Stenglein: Der Wolf darf nicht bejagt werden. Er steht in Europa unter einem strengen Schutzstatus. Nun kann es aber zu Situationen kommen, die nicht vorhersehbar sind. Beispiel: Ein Wolf paart sich mit einem Hund. Die Welpen müssen eigentlich „der Natur entnommen“, also getötet werden, weil die Gefahr besteht, dass diese Welpen die Distanz zum Menschen verlieren. Und der Schutz des Menschen steht an oberster Stelle. Über die Freigabe zum Abschuss entscheidet dann letztlich das zuständige Landesministerium.

Wie viele Wölfe leben derzeit in Deutschland?

Stenglein: Das Monitoring der Wölfe gibt Auskunft über den Bestand. Es sind etwa 500 Wölfe, die sich auf 60 Rudel, einige Paare und einige Einzeltiere verteilen. Die Population wächst derzeit in Deutschland um den Faktor 0,3.

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