Prozess um Mord in Weilerswist Die Eltern getötet, um sich zu befreien

Bonn/Weilerswist · Ein junger Mann hat vor zwei Jahren in Weilerswist seine Eltern erstochen. Nun wurde er auch im zweiten Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt.

 Der heute 32-Jährige Täter wurde am Montag von der 1. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts verurteilt.

Der heute 32-Jährige Täter wurde am Montag von der 1. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts verurteilt.

Foto: Peter Kölschbach

Er wollte die Eltern vernichten, um sich zu befreien, deshalb griff der Sohn zum Messer und tötete sie am Abend des 30. April 2019 grausam in ihrem Haus: je 30 Stiche für den Vater, 62 Jahre alt, und die Mutter, 60 Jahre alt. Der heute 32-Jährige wurde am Montag von der 1. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts wegen Mordes am Vater und Totschlags an der Mutter zu lebenslanger Haft verurteilt.

Es war der zweite Prozess um den spektakulären Tod des Ehepaars aus Weilerswist. Der Angeklagte war am 8. Januar 2020 vom Bonner Schwurgericht zu der gleichen Strafe verurteilt worden, gleichzeitig stellte es die besondere Schwere der Schuld fest. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil indes im November desselben Jahres auf, weil er Zweifel hatte, ob die Tötung des Frührentners heimtückisch und damit Mord war und verwies das Verfahren zur Neuverhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts.

Er fand keinen Job

Die Richter unter Vorsitz von Jens Rausch hinterfragten besonders das Motiv des Angeklagten, der die Tat zwar gestanden, aber recht wenig zu den Hintergründen gesagt hatte. Er wuchs mit einem älteren Bruder in einer kleinbürgerlichen Familie auf. Der Vater war Installateur, die Mutter Büroangestellte. Aber der Junge rutschte ab, mit 15 konsumierte er Cannabis und Alkohol, schaffte mit Ach und Krach die neunte Klasse, bekam keine Lehrstelle, sondern arbeitete bei Zeitarbeitsfirmen, bis er nach einer Armverletzung 2010 zwei Jahre krank war und anschließend keinen Job mehr fand.

Als der Bruder auszog und heiratete, gingen sich der Angeklagte und die Eltern zunehmend auf die Nerven, zumal der Vater, nun Frührentner, kaum das Haus verließ. Die Mutter litt besonders unter den Spannungen mit dem Sohn, bekam darüber Burnout, konnte den Jungen aber gleichzeitig nicht loslassen. Doch nach außen blieb der „heile Schein gewahrt“, so Richter Rausch.

Laute Musik und Drogen

Der Arbeitslose igelte sich in seinem Zimmer unterm Dach ein, guckte Fernsehen oder spielte am Computer und tauchte mehr und mehr ein in die Welt der Asen, der nordischen Gottheiten, nannte sich „Donar Odin“. In seiner zehnjährigen Selbstisolation entglitt er in eine „passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung“, wie ein Sachverständiger dem Angeklagten attestierte.

Das heißt: Er zog seine eigene Grenze hoch, fraß alles in sich hinein, reagierte jedoch „motzig“, wenn die Eltern etwas von ihm forderten, lebte gleichzeitig von deren Geld, hörte rücksichtslos laute Musik und dröhnte sich zu.

Ende April 2019 platzte das Ventil, das seine Aggressionen zurückgehalten hatte. Nach Wochen der freiwilligen Abstinenz griff der Angeklagte wieder zum Feierabendbier und meldete sich bei einer Weiterbildungsmaßnahme, bei der er untergekommen war, krank. Deswegen gab es bereits am Mittag des 30. April Zoff im Elternhaus, die Mutter wollte das Attest sehen. Der Sohn fühlte sich, so das Gericht, „entwertet“, ging frustriert in sein Zimmer, kippte zehn Flaschen Bier und aß nach eigener Aussage 30 Gramm halluzinogene Pilze.

Aber warum kam es dann zu der grausamen Tötung? Ein Brief, den der Angeklagte an seinen Bruder geschrieben hatte, mag eine Erklärung sein. „Ich wurde von meinen Eltern drangsaliert, vom Vater mit der Peitsche geschlagen. Ich wollte sie nicht töten, ich wollte mich nur von ihnen befreien“, heißt es darin.

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