Das ist Rheinisch Die Kuh am Schwanz herausziehen

Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal: „Ich ben die Koh am Stätz am Stall am eruss am trecke.“

 Die Kuh am Schwanz herausziehen

Die Kuh am Schwanz herausziehen

Foto: GA-Grafik

Wer sich noch an seinen Deutschunterricht in der Schule erinnern kann, der denkt sicher auch manchmal an die beglückenden Lektionen seiner Grammatikstunden zurück. Auf diesen gedanklichen Fundus müssen wir jetzt einmal zurückkommen. Denn wenn man erst einmal die Scheu vor diesem so trocken wirkenden Thema abgelegt hat, dann kann dies ein Quell steter Freude sein. Wir kümmern uns deshalb mal um die Besonderheit des rheinischen Infinitivs. Der leider zu früh verstorbene Kustos der Bönnschen Sproch, Herbert Weffer, sieht darin eine sprachliche Daseinsform, die besonders dem Bonner nahesteht.

Der am-Infinitiv

Nehmen wir einmal den Satz „Ich ben die Koh am Stätz am Stall am eruss am trecke.“ Hier wird die Übersetzung ins Hochdeutsche spannend, denn sie kann sehr viel kürzer ausfallen: „Ich ziehe die Kuh am Schwanz aus dem Stall.“ Das ist zwar inhaltlich richtig und erschöpfend, wird aber dem Rheinischen Bedeutungshorizont in keiner Weise gerecht.

Denn der rheinische Infinitiv, der mit dem Wort „am“ gebildet wird, drückt bedeutend mehr aus. Denn er verleiht dem beschriebenen Vorgang echte Dauer. Der Sprecher schwelgt gewissermaßen in dem Bild, das er vor sich sieht und das wie in ein Gemälde gegossen ist. Man sieht quasi den Landwirt, wie er mühevoll und mit minimalem Raumgewinn eine widerspenstige Kuh aus dem Stall zu ziehen gedenkt. Dabei greift er zum äußersten Mittel und zieht das Tier am Schwanz, in der Hoffnung, dass der damit verbundene Schmerz für das Milchtier einen gewissen Aufforderungscharakter hat. 

Die Kuh ist widerspenstig

Aber, aber, leider ist dem nicht so, und die Kuh lässt sich kaum bewegen. Das alles steckt in der Mundartvariante des Satzes. Im Hochdeutschen lässt sich das wieder mal kaum bis gar nicht adäquat ausdrücken. Wenn also wieder mal der Vorgang wichtiger ist, als das Ergebnis, also der Weg das Ziel ist, dann bildet der Rheinländer einen Satz mit dem „am“-Infinitiv. So kann man auch über Dauerregen sagen: Et es am räne. Oder noch schlimmer: Et es dran am räne. Und wenn beispielsweise ein Handwerker seinen Termin nicht eingehalten hat und darauf angesprochen wird, dann hilft ihm der Satz: Ich ben joh ad drahn am mache! Wer’s glaubt, wird selig.

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