Übergriffe der Silvesternacht "Die Verwaltung ist auf Kante genäht"

Köln · Thomas de Maizière, auch am Rednermikrofon eher nüchtern, beginnt mit einem Wort, das neuerdings einen speziellen Klang hat. "Köln", sagt der Bundesinnenminister, und schiebt eine Kunstpause ein. Natürlich wissen die fast 800 Delegierten und Gäste der 57. Jahrestagung des Beamtenbundes (dbb) in der Kölner Messe, worum es de Maizière geht: um die verheerende Silvesternacht.

Am Vorabend hatten sich die Teilnehmer dieses Spitzentreffens des öffentlichen Dienstes selbst ein Bild vom Ort der Silvester-Geschehnisse machen können. Der Weg zum Begrüßungsempfang im Alten Wartesaal führte die meisten über den Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs, nun dominiert von Polizeibeamten aus Einsatzhundertschaften, die Präsenz demonstrieren sollen. Dass wenig entfernt eine Gruppe von Pakistanern und später ein Syrer vermutlich von einer ausländerfeindlichen Horde angegriffen und verletzt werden, verhindert das Polizeiaufgebot nicht.

Der Bundesinnenminister jedenfalls kündigt Konsequenzen aus den "abscheulichen sexuellen Übergriffen", aus den "Exzessen, Enthemmungen und Grenzüberschreitungen" an. Die kriminellen Angreifer müssten "schnell ermittelt und bestraft werden", fordert de Maizière. Und in der Diskussion, ob es beim Thema Ausländerkriminalität Gesetzesverschärfungen geben müsse oder ob eine konsequente Anwendung geltenden Rechts ausreiche, steht für den CDU-Politiker fest: "Wir brauchen beides."

Er stehe bei dem Thema bereits in Verhandlungen mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Am Rande des dbb-Treffens votiert der Bundesinnenminister später außerdem für eine verstärkte Videoüberwachung öffentlicher Plätze. De Maizière warnt aber davor, Flüchtlinge und Asylbewerber unter Generalverdacht zu stellen. Dass die Übergriffe in der Silvesternacht das Spitzentreffen des öffentlichen Dienstes dominieren, ist kein Wunder.

Schließlich sind die Exzesse, wie NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) zur gleichen Zeit in Düsseldorf ausführt, in ihrem Ausmaß erst durch das Versagen der Kölner Polizei möglich geworden. Die Sicherheitsbehörden aber sind einer der Kernbereiche des öffentlichen Dienstes, der Schutz der Bürger eine der Kernaufgaben.

Darüber hinaus sehen sich Beamtenbund und die anderen Verbände des öffentlichen Dienstes in einer Warnung bestätigt, die sie seit Jahr und Tag wie ein Mantra verkünden: dass der öffentliche Dienst unterfinanziert und unterbesetzt sei. "Es ist bitter, dass immer nach traurigen Ereignissen die Forderungen nach notwendiger personeller Ausstattung laut werden", sagt Willi Russ, der zweite Vorsitzende des dbb, der den erkrankten Bundesvorsitzenden Klaus Dauderstädt vertritt.

"Alle Sicherheitsbehörden in Deutschland sollten personell so ausgestattet sein, dass sie ihrem Auftrag nachkommen können." Allerdings war in dem Jäger-Bericht nicht von einem Mangel an Polizisten die Rede, sondern von einer falschen Lageeinschätzung der Polizeiführung. Die Flüchtlingskrise jedenfalls decke auf, "wie sich der seit Jahren im öffentlichen Dienst von der Politik herbeigeführte Personalmangel in einer aktuellen Krisensituation auswirkt", beklagt Russ. "Die Verwaltung ist nach ständigen Kürzungen und Wiederbesetzungssperren mittlerweile auf Kante genäht." Die Zahl der fehlenden Mitarbeiter hatte der dbb-Vize zuvor in der Rheinischen Post auf "weit über 200 000" beziffert.

Neben der Forderung nach Neueinstellungen werden der dbb und die anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes dem Staat am 21. März eine weitere Zahl präsentieren: die nach mehr Geld für die Bediensteten von Bund und Kommunen. Wie hoch die Forderung in der anstehenden Tarifrunde ausfallen soll, sagt Russ noch nicht. Er deutet aber an, dass die Arbeitgeber angesichts der guten wirtschaftlichen Entwicklung nicht mit Zurückhaltung rechnen können.

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